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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Steuereintreiber und verbesserte sich dann. »Nein, nicht schlau, er hat Instinkt, er wittert Gefahr wie eine Ratte. Er wusste, dass wir hinter ihm her waren, ich wusste, dass er es wusste. Wenn er Richtung Oberlauf des Nils geritten wäre, wovon wir ausgingen, hätten wir ihn gehabt – Hakim hatte die Fatimiden-Stämme benachrichtigt –, aber er nahm den Weg nach Nordosten, zurück nach Palästina.«
    In Gaza nahmen sie seine Fährte wieder auf und fanden heraus, dass er im Hafen Teda ein Schiff nach Zypern bestiegen hatte. »Wie?«, fragte Adelia. »Wie habt Ihr die Spur wieder gefunden?«
    »Die Juwelen. Er hatte den größten Teil von Guiscards Juwelen mitgenommen. Er musste sie nach und nach verkaufen, damit wir ihn nicht einholten. Und jedes Mal, wenn er das tat, erfuhr Hakim durch die Stämme davon. Wir bekamen eine Beschreibung von ihm – ein großer Mann, fast so groß wie ich.«
    In Gaza verlor Sir Rowley seine Gefährten. »De Vries wollte im Heiligen Land bleiben, und er stand ja auch nicht so in der Pflicht wie ich; Jaafar war nicht seine Geisel gewesen, und er hatte nicht die Entscheidung gefällt, die den Jungen letztlich das Leben kostete. Was Hakim betraf … der wackere Greis wollte mit mir kommen, aber ich sagte ihm, er sei zu alt dafür, und überhaupt, bei den Christen in Zypern würde er auffallen wie eine Huri in einer Mönchsprozession. Ich habe esnatürlich etwas anders formuliert, aber darauf lief es hinaus. Und ich habe mich vor ihm hingekniet und ihm bei meinem Herrn Jesus Christus, bei der Dreifaltigkeit, bei der Mutter Maria geschworen, dass ich Rakshasa wenn nötig bis ins Grab verfolgen würde und dass ich diesem verdammten Hund den Kopf abschlagen und ihn Hakim schicken würde. Und mit Gottes Hilfe werde ich das auch tun.«
    Der Steuereintreiber sank auf die Knie, nahm seine Kappe ab und bekreuzigte sich.
    Adelia saß wie versteinert da, verwirrt von ihrem Abscheu und dem schrecklichen Trost, den sie in dem Mann fand. Etwas von der Einsamkeit, die sie seit Simons Tod erfasst hatte, war verschwunden. Aber er war kein zweiter Simon. Er war bei der Vernehmung der Plünderer dabei gewesen, hatte sich vielleicht daran beteiligt, und »Vernehmung« war zweifellos ein Euphemismus für Folter bis zum Tode, etwas, was Simon niemals getan hätte, wozu er gar nicht fähig gewesen wäre. Dieser Mann hatte bei Jesus Christus, dessen Merkmal doch die Gnade war, geschworen, Rache zu üben, betete jetzt in diesem Augenblick darum.
    Aber als sie seine ruhelose Hand bedeckt hatte, war ihre eigene von seinen Tränen benetzt worden, und für einen Moment war der Platz, den Simon leer zurückgelassen hatte, von jemandem gefüllt worden, dessen Herz ebenso wie das von Simon für das Kind eines anderen Volkes und Glaubens brechen konnte.
    Sie fasste sich wieder. Er stand auf und begann, auf und ab zu gehen, während er ihr den Rest erzählte.
    So wie er sie auf seine Reise quer durch die Wüsten Outremers mitgenommen hatte, so begleitete sie ihn auch jetzt, während er noch immer die Reliquien des Toten mit sich trug und dem Mann, den sie Rakshasa nannten, zurück nach Europa folgte. Von Gaza nach Zypern. Von Zypern nach Rhodos – nur einBoot hinter ihm, aber ein Sturm hatte Jäger und Gejagten voneinander getrennt, so dass Rowley die Spur erst auf Kreta wieder fand. Nach Syrakus von dort die Küste Apuliens hinauf. Nach Salerno …
    »Wart Ihr damals da?«, fragte er.
    »Ja, ich war da.«
    Nach Neapel, nach Marseille und dann über Land durch Frankreich.
    Eine eigentümlichere Reise hat wohl nie ein Mann durch ein christliches Land unternommen, erklärte er ihr, weil Christen kaum eine Rolle dabei spielten. Seine Helfer waren die Missachteten, Araber und Juden, Goldschmiede, Handwerker, die billigen Schmuck herstellten, Pfandleiher, Geldverleiher, Menschen, die in engen Gassen arbeiteten, in die christliche Bürger und Bürgerinnen nur ihre Diener schickten, um irgendetwas ausbessern zu lassen, Ghettobewohner – die Sorte Mensch, an die sich ein verfolgter und verzweifelter Mörder in Geldnot wenden würde, um ein Schmuckstück zu verkaufen.
    »Das war nicht das Frankreich, das ich kannte, es hätte ein völlig anderes Land sein können. Ich war ein Blinder darin, und sie waren die geknotete Schnur, an der ich mich vorwärts tastete. Sie fragten mich: >Warum jagst du diesen Mann?< Und ich antwortete stets: >Er hat ein Kind getötet.< Das genügte. Ja, ihr Cousin, ihre Tante, der Sohn ihrer Schwägerin

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