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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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wird.«
    Adelia fragte sich, wie das System wohl im umgekehrten Fall funktionierte. Was konnten europäische Ritter, von deren Reinlichkeit sie keine hohe Meinung hatte, ihre Gastgeber im Gegenzug lehren?
    Aber sie wusste, dass diese Frage nur ablenkte. Er erzählte jetzt langsamer. Er will nicht zum Ende kommen, dachte sie. Und ich will es auch nicht hören; es wird schrecklich sein.
    »Also nahm ich Geiseln«, sagte er.
    Sie sah, wie seine Finger die Tunika auf seinen Knien zusammenballten.
    Er hatte einen Gesandten zu Al-Hakim Biamrallah in Farafra geschickt, einem Mann, der einen Großteil des Gebietes beherrschte, durch das sie ziehen mussten.
    »Hakim hing dem Glauben der Fatimiden an, versteht Ihr, er war Schiit, und die Fatimiden hatten sich mit uns gegen Nur ad-Din verbündet, der keiner war.« Er schielte zu ihr hinüber. »Ich habe gesagt, dass es kompliziert ist.«
    Der Gesandte hatte Geschenke überbracht und um Geiseln gebeten, die die Sicherheit von Guiscard, seinen Männern und Packtieren bis zum Nil garantieren sollten.
    »Dort wollten wir sie dann freilassen. Die Geiseln. Hakims Männer sollten sie abholen.«
    »Ich verstehe«, sagte sie sehr sanft.
    »Hakim war ein gerissener alter Fuchs«, sagte Rowley, die Anerkennung eines gerissenen Fuchses gegenüber einem anderen. »Weißer Bart bis hier unten, aber Ehefrauen im Überfluss. Er und ich waren uns während des Feldzuges schon ein paar Mal begegnet. Wir waren zusammen auf Jagd gewesen. Ich mochte ihn.«
    Adelia beobachtete noch immer Rowleys Hände, schöne Hände, die sich unentwegt öffneten und schlossen, wie Raubtierklauen auf einer behandschuhten Faust. »Und er war einverstanden?« »O ja, er war einverstanden.«
    Der Gesandte war ohne die Geschenke und mit Geiseln zurückgekehrt, zwei Jungen. Ubayd, Hakims Neffe, und Jaafar, einer seiner Söhne. »Ubayd war fast zwölf, glaube ich, Jaafar … Jaafar war acht, der Liebling seines Vaters.«
    Es entstand eine Pause, und die Stimme des Steuereintreibers wurde leiser. »Nette Jungen, gut erzogen, wie alle Sarazenenkinder. Sie waren begeistert, dass sie für ihren Onkel und Vater Geiseln sein durften. Das verlieh ihnen Ansehen. Sie betrachteten es als ein Abenteuer.«
    Die großen Hände krümmten sich, zeigten Fingerknöchel unter der Haut. »Ein Abenteuer«, wiederholte er.
    Das Tor zum Garten des Sheriffs öffnete sich quietschend, und zwei Männer mit Spaten kamen herein. Als sie Sir Rowley und Adelia passierten, lüfteten sie ihre Mützen, dann gingen sie weiter den Pfad entlang zu dem Kirschbaum. Sie fingen an zu graben.
    Ohne ein Wort wandten der Mann und die Frau auf der Rasenbank die Köpfe und sahen ihnen zu, als beobachteten sie irgendwelche Gestalten in der Ferne, die nichts mit ihnen zu tun hatten, ein Geschehen, das sich irgendwo ganz anders abspielte.
    Rowley war froh gewesen, dass Hakim nicht nur Maultier- und Kameltreiber mitgeschickt hatte, um beim Transport von Guiscards Reichtümern zu helfen, sondern noch dazu ein paar Kämpfer als Wachen.
    »Zu diesem Zeitpunkt war unser kleines Häuflein an Rittern schon sehr geschrumpft. James Selkirk und D’Aix waren bei Antiochia getötet worden, Gerard de Nantes bei einer Schlägerei in einer Schenke. Übrig waren nur noch Guiscard und Conrad de Vries und ich.«
    Guiscard war zum Reiten zu schwach und reiste daher in einer Sänfte, die nur so schnell vorankam wie die Sklaven, die sie trugen, daher war es ein langer, langsamer Zug, der sich über das ausgedörrte Land in Bewegung setzte. Schließlich verschlechterte sich Guiscards Zustand derart, dass sie nicht mehr weiterkonnten.
    »Wir waren auf halbem Weg, umzukehren wäre ebenso weit gewesen wie weiterzuziehen, aber einer von Hakims Leuten wusste von einer Oase, die etwa eine Meile entfernt lag, also brachten wir Guiscard dorthin und schlugen unsere Pavillons auf. Es war ein winziges Fleckchen, menschenleer, ein paar Dattelpalmen, aber wie durch ein Wunder war die Quelle rein. Und dort ist er gestorben.«
    »Das tut mir leid«, sagte Adelia. Der Kummer, der sich über den Mann neben ihr legte, war fast greifbar.
    »Es tat mir auch leid, sehr.« Er hob den Kopf. »Aber es war keine Zeit, sich hinzusetzen und Tränen zu vergießen. Ihr wisst am besten, was mit Leichen geschieht, und in so einer Hitzegeht es schnell. Bis wir den Nil erreicht hätten, wäre der Leichnam längst … nun ja.«
    Aber Guiscard war ein Graf von Anjou gewesen, ein Onkel von Henry Plantagenet, nicht irgendein

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