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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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hatte von einem Fremden im Nachbardorf gehört, der irgendein Schmuckstück verkaufen wollte – und zu einem Spottpreis, weil er es schnell loswerden musste.«
    Rowley stockte. »Wisst Ihr, dass jeder Jude und Araber in der Christenheit anscheinend jeden anderen Juden und Araber kennt?«
    »Das müssen sie«, sagte Adelia.
    Rowley zuckte die Achseln. »Jedenfalls blieb er nie irgendwolange genug, dass ich ihn hätte einholen können. Wenn ich in der nächsten Stadt eintraf, hatte er bereits die Straße nach Norden genommen. Immer Richtung Norden. Ich wusste, dass er ein bestimmtes Ziel hatte.«
    Es gab andere, grässliche Knoten in der Schnur. »Er tötete auf Rhodos, ehe ich dort eintraf, ein kleines Christenmädchen, das in einem Weinberg gefunden wurde. Die ganze Insel war in Aufruhr.« In Marseille gab es wieder ein totes Kind, diesmal einen Bettlerjungen, der von der Straße weg entführt worden war. Sein Körper wies so furchtbare Verletzungen auf, dass selbst die Obrigkeit, die sich um das Schicksal eines Vagabunden sonst nicht scherte, eine Belohnung auf den Mörder ausgesetzt hatte.«
    In Montpellier wieder ein Junge, gerade mal vier Jahre alt.
    Rowley sagte: »>An ihren Taten sollt ihr sie erkennen<, heißt es in der Bibel. Ich erkannte ihn an seinen. Er markierte meine Landkarte mit Kinderleichen, es war, als könnte er höchstens drei Monate durchhalten, bis er diese Befriedigung erneut brauchte. Wenn ich ihn verlor, musste ich nur abwarten, bis ich die Schreie von Eltern hörte, die von Stadt zu Stadt gellten. Dann stieg ich aufs Pferd und folgte ihnen.«
    Er fand auch die Frauen, die Rakshasa hinter sich zurückließ. »Er übt auf Frauen einen Reiz aus, der Himmel weiß, warum; er behandelt sie nicht gut.« All die malträtierten Kreaturen, die Rowley befragt hatte, weigerten sich, ihm bei seiner Suche zu helfen. »Sie schienen darauf zu warten und zu hoffen, dass er zu ihnen zurückkommt. Aber das war mittlerweile egal. Ich folgte dem Vogel, den er bei sich hatte.«
    »Einem
Vogel?«
    »Einem Hirtenstar. In einem Käfig. Ich wusste, wo er ihn gekauft hatte, in einem Souk in Gaza. Ich wusste sogar, wie viel er dafür bezahlt hatte. Aber
warum
er ihn bei sich hatte … vielleichtwar er sein einziger Freund.« Ein verzerrtes Lächeln erschien auf Rowleys Gesicht. »Jedenfalls fiel er damit auf, Gott sei Dank. Mehr als einmal wurde mir von einem großen Mann mit einem Vogelkäfig am Sattel erzählt. Und schließlich verriet mir das Tier auch, wo er hinwollte.«
    Inzwischen näherten sich Jäger und Gejagter dem Tal der Loire. Sir Rowley war innerlich zerrissen, weil Angers die Heimat der Knochen war, die er bei sich trug. »Sollte ich Rakshasa folgen, wie ich es geschworen hatte? Oder das Versprechen erfüllen, das ich Guiscard gegeben hatte, und ihn zu seiner letzten Ruhestätte bringen?«
    In Tours, sagte er, führte ihn dieses Dilemma schließlich in die Kathedrale der Stadt, wo er um göttlichen Rat betete. »Und dort hielt der allmächtige Gott in Seiner Größe und Güte und weil Er sah, dass meine Sache gerecht war, Seine Hand über mich.«
    Denn als Rowley die Kathedrale durch das prächtige Westportal verließ und blinzelnd ins Sonnenlicht trat, hörte er einen Vogelschrei aus einer Gasse. Dort hing der Käfig im Fenster eines Hauses.
    »Ich sah zu ihm hoch. Der Vogel sah zu mir herab und sagte auf Englisch guten Tag. Und ich dachte: >Der Herr hat mich nicht grundlos in diese Gasse geführt. Mal sehen, ob das Rakshasas Reisebegleiter ist.< Ich klopfte an die Tür, und eine Frau öffnete. Ich fragte nach ihrem Mann. Sie sagte, er sei unterwegs, aber ich spürte irgendwie, dass er da war und dass er es war – sie sah genauso aus wie die anderen, ungepflegt und verängstigt. Ich zog mein Schwert und drängte mich an ihr vorbei, doch sie stürzte sich auf mich, als ich die Treppe hinaufwollte, krallte sich an meinem Arm fest wie eine Katze und schrie. Ich hörte ihn aus dem Zimmer oben rufen, dann ein Poltern. Er war aus dem Fenster gesprungen. Ich wollte wiederhinunter, aber die Frau hielt mich weiter fest, und als ich endlich auf die Gasse stürmte, war er verschwunden.«
    Rowley strich sich zerfahren mit der Hand durch das volle, lockige Haar, als er die anschließende vergebliche Verfolgungsjagd schilderte. »Schließlich kehrte ich zu dem Haus zurück. Die Frau war weg, aber in dem Zimmer im Obergeschoss lag der Käfig mit dem flatternden Vogel auf dem Boden. Er hatte ihn wohl bei seinem

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