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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Jahren habe ich begriffen, wessen Schuld es war. Ich hätte sie nicht zurücklassen dürfen, ich hätte die Jungen mitnehmen müssen. Ich war für sie verantwortlich, versteht Ihr? Sie waren meine Geiseln.«
    Adelias Finger legten sich für einen Moment auf seine rastlosen Hände. Er merkte es nicht.
    Als Ubayd endlich in der Lage war, darüber zu sprechen, erzählte er ihnen, dass die Plündererbande zwanzig bis fünfundzwanzig Mann stark gewesen war. Er hatte verschiedene Sprachen gehört, während das Massaker unter ihm stattfand.»Hauptsächlich Fränkisch«, sagte er. Er hörte seinen kleinen Vetter Allah um Hilfe anflehen.
    »Wir verfolgten sie. Sie hatten sechsunddreißig Stunden Vorsprung, aber wir dachten uns, dass sie mit ihrer schweren Beute langsamer vorankämen. Am zweiten Tag sahen wir die Hufspuren eines einzelnen Pferdes, das sich von den übrigen getrennt hatte und nach Süden abgebogen war.«
    Hakim schickte einen Teil seiner Männer hinter dem Haupttrupp der Plünderer her, während er und Rowley der Spur des einsamen Reiters folgten.
    »Im Nachhinein weiß ich nicht, warum wir das taten. Der Mann hätte sich aus Dutzenden von Gründen von den anderen getrennt haben können. Aber ich glaube, wir wussten es.«
    Sie wussten es, als sie die Geier über irgendetwas hinter einer der Dünen kreisen sahen. Der nackte kleine Körper lag gekrümmt wie ein Fragezeichen im Sand.
    Rowley hatte die Augen geschlossen. »Er hatte diesem kleinen Jungen Dinge angetan, die kein menschliches Wesen sehen oder beschreiben sollte.«
    Ich habe sie gesehen, dachte Adelia. Du warst wütend auf mich, als ich sie in der Hütte von St. Werbertha sah. Ich habe sie beschrieben, und es tut mir leid. Du tust mir so leid.
    »Wir haben Schach gespielt«, sagte Rowley. »Der Junge und ich. Während der Reise. Er war ein schlaues Kerlchen, hat mich acht von zehn Mal geschlagen.«
    Sie wickelten die Leiche in Rowleys Umhang und brachten ihn zu Hakims Palast, wo er noch in der Nacht unter dem Wehgeschrei trauernder Frauen beerdigt wurde.
    Dann begann die Jagd erst richtig. Es war eine seltsame Jagd, angeführt von einem moslemischen Häuptling und einem christlichen Ritter, und sie führte vorbei an Schlachtfeldern, wo der Halbmond und das Kreuz einander bekriegten.
    »Der Teufel war in dieser Wüste am Werk«, sagte Rowley. »Er schickte Sandstürme gegen uns, die Spuren verwischten, Orte der Rast waren ohne Wasser und entweder von Kreuzfahrern oder Muselmanen zerstört, aber wir ließen uns nicht aufhalten, und schließlich und endlich holten wir den Haupttrupp ein.«
    Ubayd hatte Recht gehabt, es war ein wild zusammengewürfelter Haufen.
    »Hauptsächlich Deserteure, Streuner, die Kerkerabfälle der Christenheit. Unser Mörder war ihr Anführer gewesen und hatte zusammen mit dem Körper des Jungen auch den größten Teil der Juwelen mitgenommen und seine Männer sich selbst überlassen, wodurch sie mehr oder weniger hilflos waren. Sie leisteten kaum Widerstand, die meisten von ihnen waren von Haschisch benebelt, und die Übrigen kämpften gegeneinander um die verbliebene Beute. Wir verhörten jeden Einzelnen von ihnen, ehe er starb. Wo ist euer Anführer hin? Wer ist er? Woher stammt er? Welches Ziel hat er? Keiner von ihnen konnte viel über den Mann sagen, dem sie gefolgt waren. Ein grimmiger Anführer, sagten sie. Ein Mann, dem das Glück lacht, sagten sie.«
    Glück.
    »Die Nationalität spielte bei diesem Abschaum keine Rolle. Für sie war er bloß ein Franke, was bedeutete, dass er von irgendwo zwischen Schottland und dem Baltikum stammen konnte. Ihre Beschreibungen waren nicht viel besser: groß, mittelgroß, dunkler Teint, heller Teint – natürlich sagten sie alles, von dem sie glaubten, dass Hakim es hören wollte, aber es war, als hätte ihn jeder irgendwie anders gesehen. Einer von ihnen sagte, er habe Hörner auf dem Kopf gehabt.«
    »Und sein Name?«
    »Sie nannten ihn Rakshasa. Das ist der Name eines Dämons,mit dem die Muselmanen unartigen Kindern drohen. Hakim hat mir erzählt, die Rakshasas kämen aus dem Fernen Osten, Indien, glaube ich. Die Hindus haben sie in irgendeiner alten Schlacht gegen die Moslems gehetzt. Sie nehmen verschiedene Formen an und überfallen des Nachts Menschen.«
    Adelia beugte sich vor, pflückte einen Lavendelstängel und rieb ihn zwischen den Fingern. Sie ließ den Blick durch den Garten wandern, hielt sich innerlich an dem englischen Grün fest. »Er ist schlau«, sagte der

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