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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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erst die halbe Schlacht gewesen. Sie hatte die Stoffstücke von der Tunika extrahieren können, die das Beil in die Wunde gedrückt hatte, aber wie viel Schmutz von der Klinge selbst darin verblieben war, das wusste niemand. Fremdkörper verursachten nicht selten eine tödliche Blutvergiftung. Sie hatte schon häufig entsprechende brandige Leichen geöffnet – erinnerte sich auch an das distanzierte Interesse, mit dem sie nach der Stelle gesucht hatte, von wo aus das tödliche Verhängnis seinen Lauf genommen hatte.
    Diesmal war sie nicht distanziert gewesen. Als Rowleys Wunde sich entzündete und er ins Fieberdelirium fiel, hatte sie so inbrünstig gebetet wie nie zuvor in ihrem Leben, während sie ihn mit kaltem Wasser wusch und fiebersenkende Arzneien zwischen Lippen träufelte, die so schlaff und geisterhaft blass waren wie bei einem Toten.
    Und zu wem oder was hatte sie gebetet? Zu irgendetwas, egal was. Sie hatte gefleht, gebettelt,
gefordert,
dass es ihr helfen sollte, ihn zurück ins Leben zu ziehen.
    Verdammt. Was hatte sie all den Göttern versprochen, die sie angerufen hatte? Glauben? Dann war sie jetzt eine Jüngerin Jehovahs, Allahs und der Dreifaltigkeit, plus Hippokrates, und sie war ihnen allen so dankbar gewesen, dass ihr die Tränen kamen, als dem Patienten endlich der Schweiß im Gesicht ausbrach und seine Atmung nicht mehr röchelnd ging, sondern zu einem leisen und natürlichen Schnarchen wurde.
    Als er das nächste Mal erwachte, beobachtete sie, wie seine Hand sogleich zu ihrer instinktiven Erkundung aufbrach. Was für primitive Wesen, diese Männer.
    »Noch da.« Die Augen schlossen sich erleichtert.
    »Ja«, sagte sie. Selbst vor der grausamen Pforte des Todes blieben sie sich ihres Triebes bewusst. Schwanz, fürwahr – so ein animalischer Euphemismus.
    Die Augen öffneten sich. »Ihr seid noch hier?«
    »Ja.«
    »Wie lange?«
    »Fünf Nächte und …«, sie blickte zum Fenster hinüber, wo die Nachmittagssonne Lichtstreifen auf die Bodendielen warf, »… etwa sieben Stunden.«
    »So lange? Donnerwetter.« Er versuchte, den Kopf zu heben. »Wo sind wir hier?«
    »Oben im Turm.« Kurz nach der Operation auf dem Küchentisch des Sheriffs hatte Mansur den Patienten in das obere Zimmer der Juden getragen – ein erstaunlicher Kraftakt –, damit Doktor und Patient ungestört waren, während Adelia um sein Leben kämpfte.
    Der Raum hatte keinen Abort, aber Adelia hatte zum Glück Hilfe gehabt, Menschen, die bereitwillig, nein, frohen Herzens Nachttöpfe die Treppe hinauf- und hinuntergetragen hatten. Die meisten waren jüdische Frauen gewesen, die Sir Rowley dankbar waren, weil er ein jüdisches Grab verteidigt hatte. Tatsächlich waren an der Rettung von Sir Rowley viele beteiligt gewesen, und wenn Adelia die meisten Hilfsangebote abgelehnt hatte, dann nur, weil sie Mansur und Gyltha nicht kränken wollte, die sich der Aufgabe mit Haut und Haaren verschrieben hatten.
    Ein schwacher Wind drang durch die unverglasten Fenster, und er war frei von den unangenehmen Gerüchen, die weiter unten in der Burg mit ihren offenen Senkgruben herrschten. Das Einzige, was ihm die Frische nahm, war eine Prise von Aufpasser, die durch den Spalt unter der Tür zur Treppe hereinwehte, wohin er verbannt worden war. Selbst nach einem Bad verströmte das Fell des Hundes fast sofort wieder einen Gestank, der die Nase angriff. Das war aber auch das Einzige an ihm, das irgendetwas angriff. Während der Schlägerei im Garten desSheriffs war er auffällig unauffällig gewesen, obwohl er sich doch eigentlich zum Schutz seiner Herrin mitten ins Getümmel hätte stürzen müssen.
    Jetzt fragte eine Stimme vom Bett: »Hab ich den Hundsfott getötet?«
    »Roger aus Acton? Nein, der ist wohlauf, wenn auch eingesperrt im Burgkerker. Ihr habt Quincy den Metzger lahm geschlagen und Colin aus St. Giles einen Stich in den Hals versetzt, und es gibt einen Prediger, dessen Aussichten auf zukünftige Vaterfreuden nicht so viel versprechend sind wie bei Euch, aber Master Acton ist unversehrt geblieben.«
    »Merde.«
    Selbst dieses kurze Gespräch hatte ihn erschöpft. Er schlief ein.
    Kopulation als oberste Priorität, dachte sie. Krieg als zweite. Und obwohl du jetzt erheblich dünner bist, lässt sich deine Gefräßigkeit nicht leugnen, ebenso wenig wie dein Hochmut. Damit wären fast alle Todsünden abgedeckt. Warum also bist von allen Menschen ausgerechnet du für mich bestimmt?
    Gyltha hatte es gemerkt. Auf dem Höhepunkt von Sir

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