Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
törichte Ignoranz zum Vorwurf. Du hattest keine Ahnung. Du hattest ja keine Ahnung von diesem inneren Aufruhr, der den Verstand wider bessere Einsicht aller Vernunft beraubt.
    Aber du
musst
vernünftig sein, Frau,
vernünftig.
    Die Stunden, die sie durchwacht hatte, um den Mann zu retten, waren ein Privileg gewesen. Das Leben eines Menschen zu retten war immer ein Privileg; das seine ihr Glück. Nur widerwillig hatte sie ihn allein gelassen, um nach den Patienten zu sehen, die von den Matildas zur Burg geschickt wurden, damit sie und Mansur sie behandeln konnten, aber sie hatte es getan.
    Jetzt war es Zeit für ihren gesunden Menschenverstand.
    Heirat kam nicht in Frage, selbst wenn er ihr einen Antrag machte, was unwahrscheinlich war. Adelia schätzte ihren eigenen Wert hoch ein, bezweifelte jedoch, dass auch er ihn erkennen würde. Zum einen, weil er offenbar eine Vorliebe für brünette Frauen hatte, jedenfalls seinen schlüpfrigen Fieberträumen nach zu urteilen, in denen er die Farbe der Schambehaarung erwähnte. Zum anderen, weil sie nicht in Konkurrenz zu Frauen wie Zabidah treten konnte oder wollte.
    Nein, eine reservierte, unscheinbare Ärztin würde ihn wohl kaum reizen. Und wenn er in seinem Delirium nach ihr verlangt hatte, dann nur, weil er sich von ihr Schmerzlinderung erhoffte.
    In jedem Fall schien sie für ihn geschlechtslos zu sein, sonst hätte er bei der Schilderung seines Kreuzzuges nicht so hemmungslos geflucht. So sprach ein Mann mit einem freundlichen Geistlichen, vielleicht mit einem Prior Geoffrey, aber nicht mit der Lady, die er begehrte.
    Wenn er die Bischofswürde anstrebte, konnte er ohnehin nicht heiraten. Und die Geliebte eines Bischofs? Es gab genug davon. Manche waren protzige, schamlose Dirnen, andere nur ein Gerücht, etwas, über das man tratschte und kicherte, versteckt in irgendeinem Landhaus und völlig abhängig von den Launen ihres bischöflichen Liebhabers.
    Willkommen vor dem Himmelstor, Adelia, und was hast du aus deinem Leben gemacht? Mein Herr, ich war die Hure eines Bischofs.
    Und falls er Baron wurde? Dann würde er genau wie alle anderen nach einer Erbin suchen, die seinen Besitz vergrößerte. Arme Erbin, die ihr Leben den Vorratskammern und den Kindern widmete, die die blutigen Taten ihres Gatten besang, wenn er wieder einmal von irgendeinem Schlachtfeld zurückkehrte, auf das ihn sein König geschickt hatte. Wo besagter Gatte sich zweifellos lüstern mit anderen Frauen vergnügt – in diesem Fall Brünetten – und Bastarde gezeugt hatte.
    Sie war übermüdet und steigerte sich bewusst in eine solche Wut auf den hypothetisch ungetreuen Sir Rowley Picot mit seinen hypothetischen und unehelichen Bälgern, dass sie zu Gyltha sagte, als die mit einer Schüssel Haferschleim für ihn den Raum betrat: »Du und Mansur könnt Euch heute Nacht um das Schwein kümmern, ich gehe nach Hause.«
    Yehuda fing sie unten an der Treppe ab, um sich nach Rowley zu erkundigen und sie zu bitten, nach seinem neugeborenen Sohn zu sehen. Der Säugling an Dinas Brust war winzig, schien aber gesund, obwohl seine Eltern Sorgen hatten, er würde nicht genügend Gewicht zulegen.
    »Wir haben mit Rabbi Gotsce vereinbart, dass die
Brit Mila
nicht wie üblich am achten Tag stattfinden soll. Er soll erst ein bisschen kräftiger werden«, sagte Yehuda ängstlich. »Was meint Ihr dazu, Mistress?«
    Adelia sagte, es wäre vermutlich ratsam, den Jungen erst dann beschneiden zu lassen, wenn er ein wenig größer war.
    »Liegt es vielleicht an meiner Milch?«, fragte Dina. »Hab ich zu wenig?«
    Adelia war keine Hebamme; sie wusste zwar, worauf es ankam, doch Gordinus hatte seine Studenten stets gelehrt, die Pflege von Neugeborenen besser den weisen Frauen gleich welchen Glaubens zu überlassen, es sei denn, es traten Komplikationen auf. Seiner Erfahrung nach überlebte ein Kind eher, wenn es von einer erfahrenen Frau auf die Welt geholt wurde und nicht von einem Arzt. Mit dieser Lehre machte er sich weder bei seinem Berufsstand noch bei der Kirche beliebt, die beide schnell bei der Hand waren, Hebammen als Hexen zu verdammen, doch die hohe Todesrate in Salerno nicht nur bei Neugeborenen, sondern auch bei Müttern, die bei der Niederkunft von einem Arzt betreut worden waren, schien Gordinus Recht zu geben.
    Aber der Kleine war wirklich sehr schmächtig und schien recht fruchtlos an der Mutterbrust zu saugen, daher schlug Adelia vor: »Habt Ihr schon einmal an eine Säugamme gedacht?«
    »Und wo sollen

Weitere Kostenlose Bücher