Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
dachte Adelia, wenn eine christliche Priorin einen Sarazenenarzt um Hilfe bittet.
    »Die Krankenpflegerin ist auch erkrankt«, sagte Matilda W – sie hatte es von dem Reitknecht erfahren. »Alle speien und scheißen sie zum Erbarmen. Gott steh uns bei, wenn’s die Pest ist. Hat die Stadt denn nich schon genug gelitten? Was nützt denn der Kleine St. Peter, wenn nich mal die heiligen Schwestern verschont werden?«
    »Ihr geht nicht, Adelia«, sagte Rowley. Er stand schwerfällig vom Bett auf.
    »Ich muss.«
    »Ich fürchte auch«, sagte Lady Baldwin. »Entgegen aller bösen Gerüchte erlaubt die Priorin keinem Mann Zutritt in das Allerheiligste der Nonnen, außer natürlich einem Priester, der ihnen die Beichte abnimmt. Wenn ihre Krankenpflegerin außer Gefecht ist, wäre Mistress Adelia die zweitbeste Lösung, eine ausgezeichnete Lösung. Sie muss sich Knoblauchzehen in die Nasenlöcher stecken, dann kann sie sich nicht anstecken.« Sie eilte davon, um ihre Fleischbrühe zuzubereiten.
    Adelia war schon dabei, Mansur alles zu erklären und ihm Anweisungenzu geben. »Ach, mein alter Freund, pass auf diesen Mann und diese Frau und diesen Jungen auf, während ich fort bin. Lass sie nirgendwo allein hingehen. Der Teufel ist überall. Wache über sie im Namen Allahs.«
    »Und wer wird über dich wachen, Kleine? Die frommen Frauen werden nichts gegen die Anwesenheit eines Eunuchen haben.« Adelia lächelte. »Es ist zwar kein Harem, aber die Frauen schirmen ihren Tempel gegen Männer ab, ich bin dort sicher.«
    Ulf zog sie am Arm. »Ich kann doch mitkommen. Ich bin noch nich erwachsen, und die kennen mich da. Und ich fang mir nie Krankheiten ein.«
    »Die wirst du dir auch nicht einfangen«, sagte sie.
    »Ihr werdet
nicht
gehen«, sagte Rowley. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er Adelia zum Fenster, weg von den anderen. »Das ist eine verdammte Finte, um Euch schutzlos zu machen. Ich bin sicher, Rakshasa steckt dahinter.«
    Jetzt, da er wie schon lange nicht mehr in voller Größe vor ihr stand, wurde sie daran erinnert, wie es für einen mächtigen Mann sein musste, machtlos zu sein. Außerdem begriff sie, dass er fürchtete, sie könnte nach Simons Ermordung das nächste Opfer sein. Er hatte ebenso Angst um sie wie sie um ihn. Sie war gerührt, froh, aber sie hatte noch vieles zu erledigen – Gyltha musste angewiesen werden, die Arzneien auf dem Tisch auszutauschen, sie musste neue aus dem Haus des alten Benjamin holen … sie hatte jetzt keine Zeit für ihn.
    »Ihr seid es, der überall Fragen gestellt hat«, sagte sie sanft. »Ich bitte Euch, passt auf Euch auf, und auf meine Leute. Ihr braucht jetzt nur noch etwas Pflege, keine Ärztin mehr. Gyltha wird sich um Euch kümmern.« Sie versuchte, sich von ihm zu lösen. »Versteht doch, dass ich zu ihnen muss.«
    »Herrgott noch mal«, brüllte er, »hör doch endlich damit auf, die Ärztin zu spielen!«
    Die Ärztin zu spielen.
Die Ärztin zu spielen?
    Obwohl er noch immer ihren Arm festhielt, starrte sie ihn an, als hätte sich der Boden zwischen ihnen geöffnet, und als sie in seine Augen blickte, war es, als sähe sie sich selbst über einen Abgrund hinweg – eine recht liebenswerte kleine Kreatur, aber eine, die sich etwas vormachte, sich nur irgendwie beschäftigte, eine Jungfer, die sich die Zeit vertrieb, bis sie dem zugeführt wurde, was für eine Frau doch unabdingbar war.
    Aber was war dann die lange Schlange von Leidenden, die jeden Tag auf sie wartete? Was war Gil der Dachdecker, der wieder auf Leitern steigen konnte?
    Und was bist
du,
dachte sie verwundert, während sie ihm in die Augen sah, der du verblutet wärst?
    Auf einmal wusste sie mit absoluter Gewissheit, dass sie ihn niemals heiraten würde. Sie war Vesuvia Adelia Rachel Ortese Aguilar, die sehr sehr einsam sein würde, aber immer eine Ärztin.
    Sie riss sich von ihm los. »Der Patient kann wieder auf feste Nahrung gesetzt werden, Gyltha, aber tausch all diese Arzneien gegen frische aus«, sagte sie und ging hinaus.
    Außerdem, dachte sie, kann ich das Honorar gebrauchen, das die Priorin versprochen hat.

    Die Kirche von St. Radegund und ihre Nebengebäude am Fluss waren nach den Eroberungszügen der Dänen erbaut worden und bevor dem Kloster das Geld ausging. Das eigentliche Kloster mit der Kapelle und den Wohnquartieren war größer und einsamer und hatte schon zur Zeit von Edward dem Bekenner gestanden.
    Es lag abseits vom Fluss versteckt hinter Bäumen, um von den Wikingern nicht entdeckt

Weitere Kostenlose Bücher