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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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offenbar verschont geblieben seid …«
    Die Miene der Priorin ließ ahnen, dass sie es schon fast bedauerte, Adelia gerufen zu haben. »Zufällig habe ich eine eigene Unterkunft, und die Leitung des Klosters nimmt mich zu sehr in Anspruch, um gemeinsam mit den Schwestern zu speisen. Erst letzte Woche war ich in Ely und habe mit dem Abt … religiöse Fragen erörtert.«
    Sie hatte von dem Abt ein Pferd gekauft, wie Edric der Reitknecht Adelia erzählt hatte.
    Priorin Joan sprach weiter: »Ich schlage vor, Ihr beschränkt Euer Interesse auf die gegenwärtige Situation. Berichtet Eurem Arzt, dass hier keine Giftmörder ihr Unwesen treiben, und fragt ihn im Namen Gottes, was getan werden muss.«
    Getan werden musste vor allem eines, nämlich Hilfe herbeiholen. Nachdem Adelia sich vergewissert hatte, dass es nicht dieLuft im Kloster war, die die Nonnen krank gemacht hatte – obwohl es überall feucht und faulig roch –, ging sie zurück zu den Zwingern und schickte Edric den Reitknecht los, die Matildas zu holen.
    Sie kamen zusammen mit Gyltha. »Der Junge ist in der Burg bei Sir Rowley und Mansur gut aufgehoben«, sagte sie, als Adelia ihr Vorwürfe machte. »Schätze, du brauchst mich mehr als er.«
    Das stand außer Frage, aber es war für sie alle gefährlich.
    »Ich bin dankbar, wenn ihr mir tagsüber helft«, erklärte Adelia den drei Frauen, »aber ihr werdet nicht über Nacht bleiben, denn solange diese Pestilenz währt, dürft ihr hier im Kloster nichts essen und nichts trinken. Darauf bestehe ich. Außerdem werden wir Eimer mit Weinbrand im Kreuzgang aufstellen, und wenn ihr die Nonnen berührt habt oder ihre Nachttöpfe oder irgendetwas, was ihnen gehört, dann müsst ihr eure Hände darin waschen.«
    »Weinbrand?«
    »Weinbrand.«
    Adelia hatte ihre eigene Theorie über Krankheiten wie die, von der die Nonnen geplagt wurden. Und wie so viele ihrer Theorien entsprach sie nicht der Lehre Galens oder irgendeiner anderen derzeit verbreiteten medizinischen Meinung. Sie glaubte, dass der Brechdurchfall in solchen Fällen der Versuch des Körpers war, eine Substanz abzustoßen, die er nicht vertrug. In irgendeiner Form war ihm Gift zugeführt worden und,
ergo,
trat auch wieder Gift aus. Wasser war allzu häufig kontaminiert – wie in den Armenvierteln von Salerno, wo Krankheit allgegenwärtig war – und musste bis zum Beweis des Gegenteils als Quelle des ursprünglichen Giftes behandelt werden. Da alles Destillierte, in diesem Fall Weinbrand, häufig bei eiternden Wunden half, mochte es auch bei dem Gift wirken, das von denNonnen ausgestoßen wurde, und die Helferinnen davor schützen, es selbst aufzunehmen.
    Das waren Adelias Überlegungen, und sie handelte entsprechend.
    »Mein Weinbrand?«
Die Priorin äußerte ihren Unwillen, als sie sah, wie ein Fässchen aus ihrem Keller in zwei Eimer geleert wurde.
    »Der Doktor besteht darauf«, erwiderte Adelia, als ob die Botschaften, die Edric aus der Burg brachte, Anweisungen von Mansur enthielten.
    »Ihr solltet wissen, dass das der beste spanische ist«, sagte Joan. »Ein Grund mehr.«
    Da sie alle gerade in der Küche waren, befand sich Adelia der Priorin gegenüber im Vorteil. Sie hatte die Frau im Verdacht, noch nie einen Fuß in den Raum gesetzt zu haben. Er war dunkel und von Ungeziefer befallen; und sie hatten, als sie eintraten, etliche Ratten aufgeschreckt, denen der Aufpasser kläffend nachgesetzt hatte, mit einer Begeisterung, die Adelia ihm gar nicht zugetraut hätte. Die Steinmauern waren mit altem Fett verkrustet. Der Kiefernholztisch war mit Abfall übersät, und die Furchen darunter starrten vor Dreck. Ein süßlicher Fäulnisgeruch hing in der Luft. In an Haken hängenden Töpfen klebten verschimmelte Essensreste, Mehlbehälter standen offen, und ihr Inhalt schien sich zu bewegen, dasselbe galt für die offenen Bottiche mit Wasser zum Kochen – Adelia fragte sich, ob die Nonnen in einem davon den Leichnam des Kleinen St. Peter gekocht hatten und ob sie ihn anschließend gereinigt hatten. An der Klinge eines Hackbeils klebten Fleischfasern, die nach Eiter stanken.
    Adelia schnupperte daran und blickte dann auf. »Keine Giftmörder hier, sagtet Ihr? Eure Köchinnen gehören eingesperrt.«
    »Unsinn«, sagte die Priorin, »ein bisschen Schmutz hat noch keinem geschadet.« Aber sie zog ihren Lieblingsjagdhund, der an irgendeiner unidentifizierbaren klebrigen Masse auf dem Boden leckte, am Halsband zurück. Sie nahm Haltung an und sagte: »Ich bezahle

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