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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Zugang zu Geld.«
    Einen Moment lang nahm Master De Barques fleischiges Gesicht einen Ausdruck von Wärme an. »Ach nein?«, sagte er.

    Als sie den Hügel hinaufgingen, wurden Adelia und Aufpasser von einem Häftlingskarren mit Bettlern überholt; der Büttel des Sheriffs schaffte sie herbei, weil sie auf der bevorstehenden Assise verurteilt werden sollten. Eine Frau rüttelte mit dürren Händen an den Gitterstäben.
    Adelia starrte ihr nach. Wie machtlos wir doch sind, wenn wir in Not geraten.
    Sie war noch nie in ihrem Leben ohne Geld gewesen. Ich muss nach Hause. Aber ich kann nicht, solange der Mörder nicht gefunden ist, und selbst dann, wie könnte ich von hier fortgehen, von …? Sie schlug sich den Namen aus dem Kopf. Früher oderspäter würde sie ihn verlassen müssen … Außerdem, ich kann ohnehin nicht reisen.
Ich habe kein Geld.
    Was tun? Sie war eine Ruth zwischen fremden Ähren. Ruth hatte sich durch Heirat aus ihrer Notlage befreit, eine Möglichkeit, die Adelia nicht zur Verfügung stand.
    Konnte sie überhaupt existieren? Seit sie sich in der Burg aufgehalten hatte, um Rowley zu pflegen, waren die Patienten dorthin geschickt worden, und Mansur und sie hatten sie behandelt. Aber fast alle waren zu arm, um mit Geld zu bezahlen.
    Ihre innere Anspannung legte sich auch nicht, als sie zusammen mit Aufpasser das Turmzimmer betrat und sah, dass Sir Rowley vollständig angezogen auf dem Bett saß und mit Sir Joscelin von Grantchester und Sir Gervase von Coton plauderte. Während sie auf ihn zueilte, fauchte sie Gyltha an, die wie ein Wachposten in einer Ecke stand: »Ich habe doch gesagt, er soll ruhen.« Sie achtete nicht auf die beiden Ritter, die sich bei ihrem Erscheinen erhoben hatten – Gervase zögernd und nur auf ein Zeichen seines Gefährten hin. Sie fühlte dem Patienten den Puls. Er war ruhiger als bei ihr.
    »Nehmt es uns nicht übel, Mistress«, sagte Sir Joscelin. »Wir wollten Sir Rowley unser Mitgefühl überbringen. Es war göttliche Vorsehung, dass Ihr und der Doktor in der Nähe wart. Dieser vermaledeite Acton … wir können nur hoffen, dass die Assise ihn an den Galgen bringt. Wir sind uns einig, dass der Strick fast noch zu gut für ihn ist.«
    »Ach wirklich?«, zischte sie.
    »Mistress Adelia schätzt den Galgen nicht. Sie kennt grausamere Methoden«, sagte Rowley. »Sie würde alle Verbrecher mit einer kräftigen Dosis Ysop behandeln.«
    Sir Joscelin schmunzelte. »Das ist wirklich grausam.«
    »Und Eure Methoden sind besser, ja?«, fragte Adelia. »Menschenblenden und aufhängen und ihnen die Hände abhacken, damit wir alle sicherer in unseren Betten schlafen, ja? Tötet Roger aus Acton, und es wird kein Verbrechen mehr geben?«
    »Er hat einen Aufstand provoziert«, sagte Rowley. »Er ist in eine Burg des Königs eingedrungen, er hätte mich fast entmannt. Ich persönlich sähe den Kerl gerne mit einem Spieß im Hintern, wie er sich schön langsam über einem kleinen Feuerchen dreht«, betonte er erneut.
    »Und der Mörder der Kinder, Mistress«, fragte Sir Joscelin sanft. »Was würdet Ihr mit ihm machen?«
    Adelia antwortete nicht sofort.
    »Sie zögert«, sagte Sir Gervase angewidert. »Was ist das bloß für eine Frau?«
    Sie war eine Frau, die den gesetzlich verordneten Tod für eine Unverschämtheit derjenigen hielt, die ihn so leichtfertig und mitunter aus viel zu geringem Anlass verhängten. Weil das Leben für sie, die es erhalten wollte, das einzige wahre Wunder war. Sie war eine Frau, die nie neben dem Richter saß oder neben dem Henker stand, sondern immer gemeinsam mit dem Angeklagten die Gitterstäbe umklammerte. Wäre ich an seiner/ihrer Stelle auch hier gelandet? Wäre ich in die Umstände hineingeboren worden, in denen er/sie aufgewachsen ist, hätte ich anders gehandelt? Wenn nicht die beiden Ärzte aus Salerno den Säugling auf dem Vesuv gefunden hätten, sondern jemand anderer, würde ich jetzt dort kauern, wo dieser Mann/diese Frau kauert?
    Für sie sollte das Gesetz die Schranke sein, wo Grausamkeit endete, weil sich ihr die Zivilisation in den Weg stellte. Wir töten nicht, weil wir an Besserung glauben. Sie vermutete, dass der Mörder sterben musste und wahrscheinlich auch sterben würde, ein tollwütiges Tier, das zum Schutz anderer getötet wurde, aber die Ärztin in ihr würde sich immer fragen, warumes tollwütig geworden war, und sie würde es bedauern, keine Antwort auf die Frage zu haben.
    Sie wandte sich von ihnen ab, um zum Arzneitisch zu

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