Die Totensammler
Ahnung, wo die beiden wohnen?«
»Nein. Warum? Können Sie sie nicht finden?«
»Sie sind tot.«
»Was … Sie meinen … was? Wie das?«
»Ermordet.«
»Mein Gott«, sagt er. »Von wem?«
»Adrian Loaner.«
»Der Mann, der Emma Green in seiner Gewalt hat.«
»Er war in Grover Hills Patient. Alles deutet darauf hin, dass Ihre Onkel ihn und andere Patienten misshandelt haben.«
»Ah, verstehe«, sagt er und hält sich an der Tischkante fest. »Jetzt kapier ich, warum Sie hier sind. Sie glauben, sie hatten das Hunter-Gen in sich, stimmt’s? Das Gen, das uns zu Männern des Blutes macht. Mein Vater hatte es, ich habe es, und sie hatten es auch.«
Zwei der Wärter schauen in unsere Richtung, ohne jedoch herüberzukommen, allerdings scheinen sie kurz davor zu sein. Ich senke die Stimme. »Sie haben einer Menge Leute wehgetan, Ihre Onkel. Und sie dann offensichtlich auch umgebracht.«
Er zuckt mit den Achseln. »Dann haben sie ja am Schluss gekriegt, was sie verdient haben«, sagt er verächtlich.
»Ich denke schon.«
»Und warum sind Sie dann hier?«
»Weil sie ihre Opfer irgendwo hingebracht haben müssen.«
»Wie gesagt, ich kenne ihre Adresse nicht.«
»Ich bin in ihrem Haus gewesen. Es war voller Trophäen von den Menschen, die sie getötet haben.«
»Dieses beschissene Gen«, sagt er.
»Ihre Opfer haben sie nicht dorthin gebracht. Aber wohin dann? Irgendeine Idee?«
»Wie gesagt, ich kannte sie überhaupt nicht. Wirklich. Ich wünschte, ich könnte Ihnen weiterhelfen. Das würde ich, wenn ich was wüsste, aber das tu ich nicht.«
»Aber Sie müssen doch irgendwas mitgekriegt haben«, sage ich frustriert und erschöpft. »Irgendwas.«
»Ehrlich, wenn ich was wüsste, würd ich’s Ihnen sagen. Mir ist klar, dass das Leben eines Mädchens auf dem Spiel steht, okay? Ich hab’s kapiert. Aber ich kenne ihre Adresse nicht. Vor sechs Jahren habe ich sie das letzte Mal gesehen.«
»Auf der Beerdigung Ihrer Großeltern.«
»Ja. Das hab ich Ihnen bereits erzählt.«
»Zur selben Zeit haben sie Grover Hills den Rücken gekehrt.«
»Und?«, fragt er.
»Das bedeutet, dass sie nach dem Tod Ihrer Großeltern gekündigt haben. Warum haben sie das getan?«
Er zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
Er weiß es nicht, aber so langsam nimmt die Sache Gestalt an. Sie haben gekündigt, weil sie das Schreizimmer in Grover Hills nicht mehr benötigten. Weil sie ein Haus hatten, in dem sie ihr eigenes Schreizimmer einrichten konnten. »Ihre Großeltern. Wo haben die gewohnt?«
»Sie sind vor einer Ewigkeit in ein anderes Haus gezogen. Als Kind habe ich vorübergehend bei ihnen gewohnt. Sie hatten ein ziemlich hübsches Haus in der Nähe der Stadt, doch sie wollten immer was Größeres auf dem Land. Kurz nachdem ich ausgezogen war, haben sie eine Farm gekauft. Bevor sie in Rente gingen. Sie haben die Farm … lassen Sie mich nachdenken … ich glaube, sieben oder acht Jahre lang bewirtschaftet, bis zum Tod meines Großvaters. Wenig später ist meine Großmutter ebenfalls gestorben. Wahrscheinlich weil er ihr so sehr gefehlt hat.«
Eine Farm. Perfekt. »Was ist mit ihr passiert? Mit der Farm, meine ich.«
»Keine Ahnung. Sie wurde vermutlich verkauft.«
»Aber Sie wissen es nicht?«
»Ich vermute, sie haben sie ihren Kindern vererbt, Ellis und Murray, und ich dachte immer … Scheiße, ich dachte, die beiden hätten sie verkauft. Aber Sie glauben das nicht, oder? Sie glauben, dass sie dort ihre Opfer hingebracht haben.«
»Wo liegt die Farm?«
»Haben Sie eine Karte?«, fragt er.
»Im Wagen.«
»Dann nehmen Sie einen Stift. Ich beschreibe Ihnen den Weg.«
Kapitel 56
Seine Sammlung ist ihm entwischt. All die Mühe, all die Vorbereitungen – für die Katz. Die Schusswunde am Bein von letzter Nacht tut inzwischen nicht mehr weh, und aufgrund der Kopfverletzung spürt er die Schmerzen im Fuß auch nicht mehr. Sein Fuß, sein armer kaputter Fuß, wird er je wieder in Ordnung kommen? Ob die Zehen noch zu retten sind? Und sein Auge, sein armes kaputtes Auge, es brennt wie die Hölle.
Er hat die Sicherheitsnadel herausgezogen. Sie liegt jetzt im Schlafzimmer auf dem Boden, dort, wo Katie ihn hintergangen hat. Er wird ihr nie wieder vertrauen können. Sie hat ihn im Stich gelassen, als er ein Kind war und als er sie vor einigen Monaten für Sex bezahlen wollte, und jetzt hat sie ihn erneut im Stich gelassen. Ihr Verrat schmerzt fast genauso wie seine Verletzungen. Er hat keine Ahnung, wie viele Patronen
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