Die Totentänzerin: Ein Fall für Nils Trojan 3 - Psychothriller (German Edition)
hatte, weil sein Herz so sehr raste, dass er annehmen musste, kurz vor einem Infarkt zu stehen, war er hinunter zu Doro gegangen und hatte an ihre Tür geklopft. Sie ließ ihn in ihr Bett. Schlafwarm und sanft flüsterte sie ihm tröstende Worte ins Ohr.
Am nächsten Morgen fragte sie ihn, was eigentlich mit ihm los sei. Und er machte vage Andeutungen über seine Panikanfälle, worauf sie ihm die Adresse von Dr. Wang aufschrieb, nicht ohne zu erwähnen, dass er, bevor er nach Berlin umgesiedelt war und sich hier der Kräuterheilkunde verschrieben hatte, Chirurg am Universitätsklinikum in Peking gewesen sei.
»Ein Chirurg gegen die Angst ?«, hatte Trojan gefragt.
»Nein, ein Asiate mit Schamanenwissen«, hatte sie erwidert. »Er hat mich von meiner Migräne befreit.«
In der Morusstraße ! Schlagartig fiel es ihm ein, er wendete, fuhr ein Stück zurück, bog ab, erkannte die schäbigen Fassaden wieder und hielt vor dem Haus Nummer drei.
»Warte hier, ich schau erst mal, ob ich ihn wach kriege.«
»Verdammt, Nils, ich halte nicht mehr lange durch.«
»Sollen wir doch lieber in die Notaufnahme ?«
»Scheiße, nein, aber beeil dich.«
Er lief in den vierten Hinterhof. Erinnerte sich an den bitteren Tee, den Dr. Wang ihm angemischt hatte, ein sonderbares Getränk von gelbgrüner Farbe, das er morgens und abends zu sich nehmen sollte. Nach einem prüfenden Blick in seine Augen hatte Wang zu ihm gesagt: »Energien sind blockiert, können nicht fließen. Machen sich zu viele Sorgen. Große Angst, weil nicht im Reinen mit sich. Trinken diesen Tee und alles wieder gut. Müssen nur vertrauen. Verstehen ? Vertrauen !«
Trojan hatte seine Zweifel, aber der Tee war unglaublich wirksam. So brodelnd und schwer, sämig und herb, er trank ihn noch am selben Abend und fiel daraufhin in einen tiefen Zwölf-Stunden-Schlaf. Kam tags darauf zu spät zur Arbeit, ihn morgens zu trinken wagte er nicht, sonst wäre er wohl im Dienst eingeschlafen. Er flößte ihn sich noch ein zweites Mal am Abend ein, aber da die Wirkung wieder zu heftig war und er abermals seinen schrillenden Wecker überhörte, ließ er es schließlich bleiben und suchte auch Dr. Wang nicht mehr auf.
Ein Chirurg aus Peking, dachte er, hoffentlich hatte sich Doro da nicht geirrt. Er drückte auf den Klingelknopf unten im Hof. Nichts tat sich. Er läutete ein zweites und ein drittes Mal.
Endlich beugte sich eine alte Chinesin aus dem geöffneten Fenster im zweiten Stockwerk: »Wer da sein ?«
Trojan legte den Kopf in den Nacken und rief hinauf: »Ist Dr. Wang zu sprechen ?«
»Spät. Schlafen. Morgen wiederkommen.«
»Aber es handelt sich um einen Notfall. Könnten Sie ihn wecken ? Bitte !«
Im matten Widerschein erkannte er die tausend Fältchen im Gesicht der Alten. Nach einer Weile sagte sie: »Warten hier. Ich versuchen.«
Trojans Herz klopfte. Jede Minute, die sie verloren, bedeutete eine Gefahr für Landsberg. Er dachte an Wundbrand und fragte sich, ob Wang überhaupt dazu in der Lage war, eine Kugel zu entfernen.
Schließlich summte der Türöffner, und er eilte hinauf.
Dr. Wang empfing ihn in einem Morgenmantel aus rotem Samt.
»Kommen rein«, sagte er, »haben wieder schlecht geschlafen, ich sehen Nervosität.«
»Irrtum, es geht nicht um mich.«
Trojan erklärte ihm, dass ein Freund sich mit einer Schusswaffe verletzt habe, er nannte Doros Namen und fragte, ob Wang tatsächlich über chirurgische Fähigkeiten verfüge.
Der schaute ihn seelenruhig an.
»Bringen Freund her. Ich werden ansehen.«
So stürmte Trojan wieder hinunter, durch die Höfe, hinaus auf die Straße, zum Wagen. Er musste Landsberg beinahe tragen, so geschwächt war er inzwischen.
Als Erstes gab ihm der Chinese einen Tee zu trinken, er schien ähnlich bitter zu schmecken, denn Landsberg schnitt eine furchtbare Grimasse. Dann schleppte er ihn in den Behandlungsraum, der eher an einen Salon erinnerte, Trojan kannte ihn ja bereits. Umso erleichterter war er zu sehen, dass es noch ein Nebenzimmer gab, in dem sich eine Art Operationstisch befand und das halbwegs klinisch auf ihn wirkte.
Trojan erblickte gerade noch, wie Wang seinem Chef das blutgefärbte Handtuch abnahm, um die Wunde zu inspizieren. Dann schloss er vor ihm die Tür.
Trojan lauschte.
Bloß Wangs monotoner Singsang war zu vernehmen, nichts von Landsberg, kein Stöhnen, zum Glück.
Erschöpft ließ er sich auf den Stuhl sinken, in dem er damals von dem Chinesen behandelt worden war.
Sein Blick schweifte
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