Die Totentänzerin: Ein Fall für Nils Trojan 3 - Psychothriller (German Edition)
die entsprechenden Passagen aus, nicht ohne mitbekommen zu haben, dass ihre Partnerschaft mehr und mehr ins rein Platonische abgedriftet war.
Immer wieder gab es Andeutungen von der Sache , der Geschichte , dem Drama , etwas, wovon Hilmar nichts wusste und von dem er niemals erfahren sollte. Über mehrere Absätze ließ sie sich darüber aus, dass ihr seine Tätigkeit als Kripochef ein Gefühl der Sicherheit verschaffe, sie andererseits aber auch belaste, da sie doch Schuld auf sich geladen habe.
Ich weiß, du warst immer der Meinung, mich treffe nicht die geringste Schuld, weder im juristischen Sinne noch in einem übergeordneten moralischen Kontext. Ach Werner, wie sehr mir die Gespräche mit dir fehlen, deine kluge Art, die Dinge des Lebens zu betrachten, dein analytischer Verstand. Die geistige Auseinandersetzung mit dir vermisse ich noch mehr als alles Körperliche, das uns verband, und du weißt ja, dass du der einzige Mann warst, in dessen Armen ich mich wirklich fallen lassen konnte, bei niemand anders war es mir je vergönnt, weil ich so verkorkst bin und über dieses furchtbare Erlebnis, das mir als Kind widerfuhr, einfach nicht hinwegkomme. Glaub mir, Werner, ich tadele mich selbst dafür, Tag für Tag, dass ich in diese Angelegenheit so tief verstrickt bin, meinem Ehemann sollte ich ein Grund zur Freude sein, aber was bin ich ? Ein Häufchen Elend ! Nur mit dir, Werner, mit dir war alles anders, doch du lebst mit Frau und Kindern, warum konnten wir uns nicht schon früher begegnen, als du ungebunden warst. Aber ich weiß ja, ich weiß, damals war ich noch ein kleines Mädchen mit Zöpfen und Schrammen an den Knien.
Sie gestand ihm, regelmäßig in den frühen Abendstunden mit seinem Porträt zu sprechen, schrieb ihm von ihren festen Ritualen in der geheimen Wohnung, die Schuhe abstreifen, sich aufs Bett legen, mit Blick auf sein Foto ein Glas Wein trinken, danach ein zweites, ihm zum Abschied eine Kusshand zuwerfen, um dann zu Hilmar zurückzukehren.
Er ist so gut zu mir, und ich liebe ihn auf eine gewisse Art. Doch mein Herz wird immer nur dir gehören.
Immer wieder kam sie auf das Drama , die Sache zurück, und es folgten Passagen, in denen sie von ihrer Angst berichtete, allmählich verrückt zu werden.
Ich sehne mich nach der Zeit, da du mir mit deinen klugen Einwürfen den Kopf zurechtgerückt hast, deine sachliche Einschätzung meiner Lebenssituation hinderte mich daran, vor Verzweiflung noch zugrunde zu gehen. Doch was nach unserer Trennung folgte, war bloß noch eine Abfolge von persönlichen Niederlagen. In meinem letzten Brief schrieb ich dir von meiner Fehlgeburt. Vielleicht bin ich einfach nichts wert. Nichts, nichts. Verzeih, Liebster, heute ist so ein Tag, an dem ich immerzu über das Sterben nachdenke n muss. Ach, wie sehr hab ich doch die seltenen Momente geliebt, wenn du mir von deinen Kindern erzählt hast: Martin, Tobias und Cornelius. Wie gern hätte ich sie einmal kennengelernt. Ob sie mich wohl gemocht hätten ?
Trojan blickte kurz auf. Tobias Weber stand gedankenverloren an der Ladentür, keine Kundschaft kam, es war so still hier wie in einer fernen, versunkenen Welt.
In meinem Hochhaus, dem selbstgewählten Exil über der Stadtautobahn, über die sich die tägliche Blechlawine quält, schwebe ich über allem, fern von den Menschen und ihrem rastlosen Treiben, verschluckt hinter schalldichtem Glas, mal halb irr von meinen Erinnerungen, mal beseelt von dem Lächeln auf deiner Fotografie.
Kolpert berührte ihn am Arm. »Nils, ich schätze, ich bin hier auf was Wichtiges gestoßen.«
Trojan zuckte leicht zusammen, dann nahm er den Brief, den Max ihm reichte, und las.
Es waren erschütternde Zeilen. Sie hatten mit der Sache zu tun, Theresas Trauma.
Zweiundvierzig
Theresa lief schnell, ihre Füße schmerzten, die Absätze ihrer Pumps knallten auf den Asphalt. Schließlich hatte sie den Eingang zum U-Bahnhof erreicht, eilte die Rolltreppe hinab, drängte sich an den Passanten vorbei, entschuldigte sich, stolperte, hastete weiter. Unten angelangt hielt sie inne. Sollte sie es wirklich tun ?
Sie gab sich einen Ruck, setzte Schritt vor Schritt. An der Anzeigetafel waren der nächste Zug und die Zeitspanne bis zu seiner Ankunft vermerkt: zwei Minuten. Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen, sie blieb stehen und stützte sich an einem Pfeiler ab.
»Kann ich Ihnen helfen ?«, fragte eine Frau. Theresa starrte sie an. Ja, dachte sie, aber sie schüttelte bloß den
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