Die Traene des Drachen
Ich höre!“, sagte er mit belegter Stimme. Elea atmete zweimal tief durch. Dann ergriff sie seine beiden Hände. Ihre Stimme zitterte erneut. „Maél, ich weiß jetzt, warum du unbedingst willst, dass sich unsere Wege trennen.“
„ Das ist doch nichts Neues. Darüber haben wir doch bereits gesprochen.“ Elea umschloss mit ihren Händen so gut es ging Maéls große Hände und drückte so fest zu, wie sie nur konnte. Sie hatte Angst, dass er sie ihr sofort entziehen würde bei dem, was er nun hören würde. „Maél, du willst nicht noch einmal jemanden töten, den du liebst.“ Maél stockte der Atem und seine Haut überzog sich blitzartig mit einer Gänsehaut. Seine Augen wurden immer größer und er glaubte, in einen nicht enden wollenden schwarzen Abgrund zu stürzen. Reflexartig wollte er seine Hände Elea entziehen, aber sie klammerte sich mit all ihrer Kraft daran, sodass er sie mit Gewalt von seinen Händen hätte lösen müssen. Aber weh tun wollte er ihr auf gar keinen Fall. Keiner von beiden war in der Lage zu sprechen. Elea konzentrierte sich gleichzeitig auf zwei Dinge: Zum einen versuchte sie, Maéls Blick mit ihrem festzuhalten. Zum anderen baute sie eine warme, magische Woge in sich auf und bemühte sich dabei, all die Empfindungen mit hineinzulegen, die sie momentan bewegten und die sie Maél unbedingt mitteilen wollte: Mitgefühl, Verständnis und viel, viel Liebe. Maél kämpfte um seine Fassung und spürte bereits, was in Elea vor sich ging. Er war sich jedoch nicht sicher, ob er es zulassen wollte. Er konnte seine Augen nicht von ihrem fesselnden Blick losreißen. Endlich war es soweit: Elea ließ die mächtige Woge über Maél einstürzen. Er schloss einfach die Augen und ergab sich kampflos der Gefühlsflut. Die Welle ging mit einer solchen Kraft auf ihn nieder, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte und mit Elea, wie schon im Stall, auf den Rücken gestürzt wäre. Erst als die Magie an Intensität verloren hatte, öffnete er wieder die Augen und sah direkt in Eleas Tränen verschleiernden Blick. Er löste seine Hände aus ihrem locker gewordenen Griff, nahm sie in seine Arme und drückte sie so fest an sich, als ob er sie nie wieder loslassen wollte. Nach ein paar Augenblicken sprach er leise und stockend an ihrer Halsbeuge: „Elea, ich... weiß gar nicht,... was ich sagen soll. Ich...“
„ Du musst gar nichts sagen, Maél. Es gibt auch gar nichts zu sagen. Außer, dass das, was dir widerfahren ist, grauenvoll und menschenverachtend ist. Dich trifft keine Schuld. Es tut mir so leid. All das, was Roghan und Darrach dir angetan haben, ist viel, viel schlimmer, als das, was ich bisher erlitten habe und vielleicht noch erleiden werde.“ Maél drückte sie abrupt etwas von sich, um ihr ins Gesicht sehen zu können. „Hör auf so zu reden! Wenn du den Drachen gefunden hast, dann wirst du so schnell wie möglich das Weite suchen. Ich werde nicht zulassen, dass du noch einmal unter Darrach oder mir leidest. Hast du verstanden? Versprich mir, dass du dich auf den Rücken des verdammten Drachen schwingen und wegfliegen wirst!“, sagte Maél aufgebracht. „Maél, ich verspreche es dir nur, wenn du mir auch etwas versprichst“, erwiderte Elea leise. Ihm wurde mit einem Male ganz beklommen zumute, da er wusste, worauf sie hinaus wollte. „Ich werde mit dem Drachen verschwinden, wenn wir uns vorher so lieben, wie wir es uns schon die ganze Zeit wünschen. Ich wünsche es mir zumindest mehr als alles andere. Ich will dir so nahe sein wie nur möglich. Verstehst du das?“ Maél hatte das Gefühl, dass sein Herz und sein Magen einen Reigen miteinander tanzten. Dass es nie soweit kommen durfte und würde, konnte und wollte er ihr nicht sagen. Also würde er sie anlügen müssen, auch wenn es ihm noch so zuwider war. „Elea, ich wünsche es mir auch schon so lange. Ich weiß gar nicht, wie lange schon... Also gut! Ich verspreche es! Sobald wir es aber getan haben, machst du dich mit dem Drachen auf und davon. Und du wirst nicht eher wieder zurückkommen, bis der Drache davon überzeugt ist, dass du stark genug bist, Darrachs Zauberkraft zu besiegen. Versprichst du mir das?“ Elea sah ihm mit zwei nicht versiegenden Tränenströmen in die Augen. „Ich verspreche es.“ Daraufhin küsste er ihr die Tränen von den Wangen und streichelte ihr kurzes, noch lockiger gewordenes Haar. „Wie bist du drauf gekommen?“
„ Ich habe Finlay gefragt, wie er von der Sache mit dem Blut und
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