Die Traene des Drachen
Einzelnen sich in der Arena zugetragen hat. Du kannst es dir sicherlich vorstellen. Du hast ihn ja erlebt,... wie er sich verändert... unter dem Einfluss von Blut.“ Elea konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. „Die Rechnung meines Vaters ging also auf. Die Bevölkerung Morays fürchtete von da an Maél und es wurden kaum noch Verbrechen begangen. Die Menschen fingen an, ihm aus dem Weg zu gehen und ihn zu hassen. Von jenem Tag an war Maél auch nicht mehr derselbe. Er zog sich noch mehr zurück, obwohl meine Mutter und ich uns nicht von ihm abgewendet haben.“
Als Finlay geendete hatte, breitete sich in Elea ein Gefühl von Verzweiflung und Einsamkeit aus, so wie Maél es damals empfunden haben musste. Sie verstand nun noch besser, warum er zu diesem gefühlskalten und hasserfüllten Mann geworden war. Finlay merkte, wie sich ihr Körper verkrampft hatte und drückte mitfühlend ihre in den Fellfäustlingen steckenden Hände. Es dauerte noch eine Weile, bis Elea wieder in der Lage war, einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen. Sie dachte noch einmal über den Zeitpunkt dieses entsetzlichen Ereignisses nach. Mit einem Mal überkam sie eine grauenvolle Ahnung. Sie hielt den Atem an. Oh nein! Er war es! Elea hoffte, dass Finlay nie zu dieser Schlussfolgerung kommen würde. Es wäre schrecklich für ihn, aber auch für Maél. Kein Wunder, dass Maél sich von ihm zurückgezogen und ihm gegenüber so abweisend verhalten hatte. Und was am allerwichtigsten war: Sie konnte mit dieser schrecklichen Erkenntnis nachvollziehen, warum er unbedingt wollte, dass sich ihre Wege trennten. Er hatte Angst, dass er noch einmal jemand töten müsste, den er liebte.
Die abendliche Dunkelheit hatte sich vollkommen über die Winterlandschaft gelegt, als die Krieger die drei Zelte aufgebaut hatten. Ein eisiger Wind umwehte die zehn in Fellkleidern eingepackten Menschen. Elea saß bei Shona, die ihr ständig von hinten ihren heißen Atem an den Kopf schnaubte. Sie knabberte lustlos auf einem Stück Brot herum, von dem sie das meiste dem Pferd ins Maul steckte. Das Wissen um Maéls schreckliche Tat, lag ihr schwer im Magen. Vor allem quälte sie die ganze Zeit über die Frage, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Sollte sie mit ihm darüber reden? Dies würde ihm zweifelsohne über alle Maßen zusetzen. Aber sie konnte auch nicht einfach so tun, als wüsste sie es nicht. Zwischen ihnen war etwas ganz Besonderes. Schon allein die Tatsache, dass sie während Finlays Schilderung Empfindungen hatte, die damals Maél bewegt haben mussten, wies auf eine Seelenverwandtschaft hin.
Elea war so in ihre Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass Maél in der Zwischenzeit gekommen war, um Shona zu holen und für die Nacht vorzubereiten. Sie nahm ihn nicht einmal wahr, wie er anschließend vor ihr stand. Erst als er nach ein paar Augenblicken in die Hocke ging, um mit ihr fast in Augenhöhe zu sein, wurde sie auf ihn aufmerksam. „Ich hoffe, du sinnst darüber nach, wie wir in den Berg zu deinem Drachen gelangen, nachdem du mit dem Stab die riesigen Schneemassen vor dem Eingang weggezaubert hast“, sagte er in scherzendem Ton. Elea mühte sich ein Lächeln ab. „Wir werden heute auf das Lagerfeuer verzichten und uns deshalb gleich in die Zelte zurückziehen. Mit den Feuerbecken ist es darin ganz gut auszuhalten. Morgen werden wir gegen Mittag den Akrachón erreichen. Ich hoffe, dass dein Stein dann zu uns sprechen wird. Übrigens, nur zu deiner Beruhigung: Shona und die anderen Pferde haben wir mit Fellen bedeckt. Komm!“ Er reichte Elea die Hand und zog sie zu sich hoch. Bevor er jedoch mit ihr zum Zelt ging, legte er seine Hände auf ihr Gesicht und fragte sie etwas zaghaft: „Ist alles in Ordnung mit dir? Seitdem du bei Finlay mitgeritten bist, kommst du mir etwas bedrückt und abwesend vor.“
Elea wusste nicht, was auf sie zukam, aber sie konnte nicht anders. „Maél, ich muss mit dir reden. Aber lass uns erst ins Zelt gehen. Ja?“ Maél nickte mit ernster Miene. Ihm war nicht entgangen, dass ihre Stimme beim Sprechen gezittert hatte, und dies war ausnahmsweise nicht auf die Kälte zurückzuführen.
Im Zelt angekommen entledigten sich beide erst einmal wieder umständlich ihrer Fellkleider. Endlich hatte Elea das letzte Fellteil von sich geworfen und saß nur noch in Tunika und Lederhose vor ihm. Maél kniete schon länger in orangerotem Licht eingetaucht vor ihr und sah sie erwartungsvoll an. „Also!
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