Die Traene des Drachen
war um so fataler, als er Maéls stärkendes Blut bis auf einen kleinen Rest aufgebraucht hatte, den er sich unter allen Umständen für die anstrengende Reise in den Akrachón aufbewahren musste. Je länger er auf dem Bett lag, desto mehr wurde er sich der Notwendigkeit bewusst, etwas zu essen und zu schlafen. Einen derartigen Raubbau an seinem Körper konnte er nicht weiter fortsetzen. Zumal er nicht wusste, was ihn erwartete, wenn er auf die anderen stoßen würde. Er würde vielleicht all seine Kraft und dunkle Macht benötigen, um Elea und den Drachen in Schach zu halten.
Immer wieder machte sein Herz holpernde Schläge, wenn er nur daran dachte, dass die mysteriöse junge Frau möglicherweise Maéls Gefühlskälte und Skrupellosigkeit besiegt hatte. Sein großer Plan, den er schon mehr als fünf Jahre verfolgte, wäre dann mehr als gefährdet. Er machte sich große Vorwürfe, dass er sich voll und ganz auf die Ergebenheit dieses einzigartigen Mannes verlassen hatte. Aber sein ganzes Denken galt nur der Enthüllung von Eleas Identität.
Darrach begann zu zittern – vor Kälte, aber auch vor Panik. Er erhob sich schwerfällig vom Bett, schloss das Fenster und rief nach seinem Gehilfen, damit dieser ihm etwas zu essen brachte. Er fühlte sich, als wäre er um zwanzig Jahre gealtert. Und so schwer es ihm bei dem gegenwärtigen Stand seiner Nachforschungen auch fiel, er musste auch ein paar Stunden schlafen. Mit neuer Kraft wollte er im Morgengrauen weiterarbeiten. Er spürte regelrecht, wie nah er des Rätsels Lösung war.
Kapitel 3
Als Elea am Morgen aus dem Zelt trat, wollte sie ihren Augen nicht trauen. In nur einer Nacht war die Steppe in eine Winterlandschaft verwandelt worden. Der Schnee reichte Elea bereits fast bis an die Kniekehlen. Die Inseln hohen Grases waren nicht mehr zu sehen, da sie von der Last des Schnees niedergedrückt wurden. Alles war weiß. Nur die Pferde und die Krieger brachten Farbe in das Weiß. Dies war nun der Moment Lyrias Fellkleider überzuziehen. Ebenso mussten Albins Stiefel den dicken Fellstiefeln weichen. Ein Ende des Schnees war nicht in Sicht. Immer noch fiel der Schnee so dicht wie ein Schleier, dass nicht einmal mehr der Akrachón zu erkennen war.
Die Weiterreise gestaltete sich für alle Beteiligten äußerst anstrengend, vor allem für die Pferde. Sie mussten nicht nur durch tiefen und kalten Schnee waten, sondern hatten zum Teil mit heftigem Sturm zu kämpfen, der ihnen die Schneeflocken regelrecht in Gesicht und Augen peitschte. Auf Maéls Vorschlag hin ritt Elea wieder auf Shona, damit Arok entlastet war. Allerdings musste sie immer an seiner Seite bleiben, da er Angst hatte, sie würde in dem Schneetreiben verloren gehen.
Sie saß auf Shonas Rücken, ohne viel tun zu müssen. Immer wieder streichelte sie ihren Hals oder schmiegte ihren Oberkörper Schutz suchend an ihn. Die Zügel hielt sie nur, um sich an irgendetwas festzuhalten und überließ der Stute alles andere. Den Großteil der Strecke mussten die Reiter ohnehin im Schritt zurücklegen. Alle ritten hochkonzentriert, das Auge immer auf den Vordermann gerichtet. Maél hatte die Männer angewiesen, sofort zu rufen, sobald sie ihren Vordermann nicht mehr sahen. Irgendwann hatte der Schneesturm so an Stärke zugenommen, dass Maél unter dichter bezweigten Bäumen am Saum eines Waldes vorübergehend Zuflucht suchte. Die Reitergruppe nutzte diese Unterbrechung im Schutze des Waldes, um etwas zu essen, während die Pferde sich ausruhen konnten. Etwa um die Tagesmitte ließ endlich der Sturm nach, sodass sie weiterreiten konnten. Der Schleier aus Schnee lichtete sich ebenfalls, wodurch die Sicht in Richtung Norden zum Akrachón klarer wurde. Gegen Nachmittag hörte es endlich auf zu schneien. Die Wolken hatten alles gegeben. Nun gewann die Sonne allmählich die Oberhand. Das schwere Himmelgrau brach auf und wurde von der Sonne zusehends verdrängt.
Maél wollte noch bis zur Abenddämmerung weiterreiten. Den Akrachón sollten sie aber erst am nächsten Tag erreichen. Elea machte sich Sorgen um Shona, die für sie spürbar erschöpft war. Daraufhin bot sich Finlay an, Elea bei sich mitreiten zu lassen, um die kleine Stute etwas zu entlasten. Dies brachte ihm gleich einen grimmigen Blick von Maél ein. Aber Elea ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie sah darin eine Gelegenheit, vielleicht noch etwas über Maéls Vergangenheit herauszufinden. Sie setzte sich hinter Finlay, während Shona wieder zu
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