Die Traene des Drachen
nichts Menschliches, außer dass sie einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine hat“, sagte er niedergeschlagen. „Das ist der Grund, warum du dich nicht darüber freuen kannst, endlich einen Hinweis über deine Herkunft gefunden zu haben? An diesem Wesen ist mehr Menschliches als an Darrach. Es ist einfach nur fremdartig. Aber für mich hat es trotzdem noch viel von einem Menschen. Und glaube mir, wenn aus irgendeinem Grund deine Verwandlung nicht rückgängig gemacht werden könnte, dann würde ich dich in dieser Gestalt genauso lieben wie in deiner „menschlicheren“.
„ Du würdest mich, glaube ich, auch noch lieben, wenn ich dich auspeitschen würde“, sagte er scherzend mit einem Lächeln auf den Lippen und nahm ihre Hände von seinem Gesicht und begann diese zu küssen. „Maél, hast du mir eben eigentlich zugehört. Ich weiß, wie wir in die Höhle gelangen. Und mit dem Adler wird es sicherlich nicht mehr lange dauern, bis wir meinen Drachen gefunden haben, auch wenn mich dies nicht gerade euphorisch stimmt.“
„ Elea, glaubst du mich macht es glücklich, dass wir bald am Ziel unserer Reise sind?! Es ist nun mal eine Notwendigkeit, um dein Leben zu retten. Alles andere ist leider zweitrangig, vor allem unsere Gefühle füreinander.“
„ Lass uns nicht weiter darüber reden. Der Moment, wenn es soweit ist, wird schmerzlich genug sein. Das Einzige, was mich noch halbwegs tröstet, ist die Aussicht, dass wir uns vorher noch so lieben werden, wie wir es uns beide wünschen. Und die Erinnerung daran wird mir niemals jemand nehmen können.“ Maéls Magen und Herz verkrampften sich gleichzeitig. Dass ich mein Versprechen nicht halten werde, wird ihr das Herz brechen. Er legte seinen Arm um sie und setzte sich mit ihr in Richtung Lager in Bewegung. „Ich glaube, die Hälfte der Männer schläft schon. Alle sind todmüde von der letzten Nacht und der Aufregung von heute, ich einschließlich. Und du schienst mir eben auch schon fast eingeschlafen auf Shonas Rücken.“ Typisch! Ich habe mir Sorgen gemacht, wo er nur steckt. Und er saß irgendwo ganz in der Nähe und hat mich die ganze Zeit mit seinem Nachtblick beobachtet.
Darrach saß in seinem kleinen Zelt über eine große Tierhaut gebeugt, auf die eine Landkarte gezeichnet war. Er trug seine komplette Fellkleidung, die er auch zum Schlafen nie ablegte, trotz einer Heizschale mit dicken, glühenden Holzscheiten. Er griff in seinen Halsausschnitt unter seine zahlreichen Kleiderschichten und zog sich eine Kette mit einer kleinen Phiole daran über den Kopf. In dieser Phiole war eine dunkle Flüssigkeit: Maéls Blut. Er legte sie auf die Stelle der Landkarte, wo er und die fünf Krieger sich gerade befanden. In den letzten beiden Tagen hatten sie eine beachtliche Strecke zurückgelegt. Sie waren sogar auf deutliche Spuren, die Maéls Trupp hinterlassen hatte, gestoßen. Gegen Abend begann es nun zu schneien und es sah auch so aus, als würde es die ganze Nacht durch schneien. Der Zauberer schloss die Augen und hielt seine beiden geöffneten Hände über die Phiole. In einer fremden Sprache begann er leise vor sich hin zu sprechen. Dazu bewegte er die Hände kreisend über die Phiole: erst sieben Mal links herum, dann sieben Mal rechts herum. Anschließend öffnete er seine Augen und legte seine Hände zurück auf seinen Schoß. Er starrte auf die Phiole, die sich langsam in westliche Richtung in das niedere Vorgebirge des Akrachóns hinbewegte. Kurz vor der Grenze zu Boraya kam sie zum Stehen. Auf Darrachs Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln. Maél kam langsamer voran, als er vermutet hatte. Er und die Hexe hatten vielleicht noch einen Vorsprung von einem Tag und wenn er sich mit seinen Kriegern ranhielt und das Wetter mitspielte, würden sie möglicherweise weniger als einen Tag brauchen, um sie einzuholen. Er legte sich wieder die Kette mit der Phiole um den Hals, rollte die Landkarte zusammen und verstaute diese in einen großen Lederbeutel. Dann trank er noch ein paar Schlucke aus einer Flasche, die den letzten Rest von Maéls Blut enthielt. Er wickelte sich in sein Schlaffell ein. Endlich konnte er wieder schlafen, jetzt, da er das Rätsel um Eleas Identität gelöst hatte. Und mit Hilfe der Phiole würde er Maél jederzeit überall finden.
Kapitel 6
Maél starrte nachdenklich auf die rötlich erleuchtete Zeltdecke. Elea beobachtete ihn bereits eine Weile auf der Seite liegend. Entweder war er so in seine düsteren Gedanken
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