Die Traene des Drachen
diesen Drachen da unten – ob nun tot oder lebendig – reagiert und wir sind womöglich die ganze Zeit über in die falsche Richtung geritten.“ Maél raufte sich schon wieder die Haare und hinterließ durch sein nervöses Hin- und Hergehen eine immer breiter werdende Spur im Schnee. „Verflucht nochmal! Unsere Zeit wird knapp. Wir müssen endlich deinen verdammten Drachen finden. Darrach hat sicher längst schon unsere Verfolgung aufgenommen.“
„ Ich glaube nicht, dass mein Stein uns fehlgeleitet hat. Meine Eltern sagten zu Albin und Breanna, dass ich ihn überallhin mitnehmen sollte. Also werde ich mich einfach darauf verlassen, dass er uns zu meinem Drachen führen wird“, erwiderte Elea trotzig wie ein Kind.
Jadora erhob sich schwerfällig und ging müde auf seine Krieger zu, die ihrem Hunger nachgegeben hatten und trockenes Brot kauten. Er drehte sich nochmal kurz um und verkündete: „Ich werde jetzt da vorne bei der kleinen Baumgruppe mit meinen Männern die Zelte aufbauen. Ihr könnt ja noch eine Weile über unser weiteres Vorgehen sinnieren.“
Finlay hatte sich die ganze Zeit in Schweigen geübt. Er blickte nachdenklich zu dem noch nicht ganz in abendlicher Dunkelheit gehüllten Himmel hoch, als er plötzlich bemerkte: „Merkwürdig! Der Adler fliegt immer noch seine Kreise über uns.“
„ Was für ein Adler?“, fragte Maél immer noch gereizt nach. „Als du und Jadora Eleas Rettungsaktion in Angriff genommen habt, fing ich aus Nervosität und Langeweile an mir den Himmel zu betrachten. Dabei ist mir ein Adler aufgefallen, der genau über der Stelle, wo ihr euch aufgehalten hattet, seine Kreise gezogen hat. So ging es die ganze Zeit. Aber jetzt, schaut doch selbst! Jetzt fliegt er direkt über uns.“ Maél und Elea sahen nach oben. „Finlay, er fliegt nicht über uns, sondern über unserer Vogelliebhaberin. Sie zieht Vögel magisch an, falls dir das inzwischen entgangen sein sollte“, ließ Maél spöttisch verlauten. „Ja. Ja. Mach dich ruhig wieder lustig über meine Gabe. Wenn ich tatsächlich Vögel magisch anziehe, dann muss es hier im Akrachón aber reichlich wenig geben, wenn nur einer seine Kreise über mir zieht.“ Elea sah erneut nach oben und gerade noch einen Adler sehen, wie er von einem kleinen Kreis zu einem großen überging. Plötzlich hielt sie die Luft an und schlug ihre Hand vor den Mund. „Wie konnte ich das vergessen... Maél?! In meinem Traum, auf dem Weg zu der kreisrunden Fläche, wurde ich von einem Adler begleitet. Aber möglicherweise hat er mir den Weg zu dem Drachen gezeigt!“ Die abendliche Dunkelheit hatte den Akrachón fast vollständig erfasst. Es war jedoch gerade noch hell genug, um zu sehen, dass Maéls Miene sich bedrohlich verfinsterte. Er kam auf Elea zu - sichtbar nach Fassung ringend. Sie spürte seinen heißen Atem in ihrem Gesicht, als er sie anblaffte. „Ach! Und warum fällt dir das jetzt erst ein? Ich habe dir ausdrücklich gesagt, dass jedes Detail deines Traumes, wenn es auch noch so unbedeutend erscheinen mag, ein Hinweis sein kann. Und dann auch noch ein Adler! Also einen deutlicheren Hinweis gibt es ja wohl kaum!“ Ohne seine grimmig dreinblickenden Augen von Elea zu wenden, sagte er zu Finlay: „Finlay, ich denke, es ist besser, wenn du heute Nacht mit Elea ein Zelt teilst, sonst vergesse ich mich vielleicht doch noch. Ihr versteht euch ohnehin ja blendend.“ Er drehte sich abrupt auf dem Absatz um und zog mit eiligen Schritten von dannen. Elea sah mit betretener Miene zu Finlay. „Er hat vollkommen recht. Ich bin eine Närrin. Aber ich war so auf die Wärme fixiert, in der ich mich in meinem Traum bewegte, obwohl überall um mich herum Schnee war, dass ich den Adler völlig aus den Augen verloren habe. Und dann habe ich mich noch so leichtsinning verhalten, als ich einfach auf die Fläche hinausgerannt bin. Ich kann es ihm gar nicht verübeln, dass er böse auf mich ist. Dieses Wesen, das so aussieht wie er, gibt ihm jetzt noch den Rest.“ Eleas Stimme war voller Bedauern. Sie wäre ihm gerne nachgegangen, um sich zu entschuldigen. Aber sie wusste, dass man mit Maél in der aufgebrachten Stimmung, in der er sich gerade befand, kein vernünftiges Wort reden konnte. „Er beruhigt sich schon wieder. Er reagiert immer im ersten Moment sehr cholerisch. Wobei ich sagen muss, dass er bei dir seinen Jähzorn ganz gut unter Kontrolle hat“, tröstete Finlay Elea. „Lass uns zu den anderen gehen! Ich sterbe vor Hunger. Du wirst
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