Die Traene des Drachen
sprach davon, dass nicht nur Maél die Hexe, sondern dass auch sie ihn lieben würde. Dies musste der Wahrheit entsprechen. Sonst hätte sie nicht diese Energie, die Jadora erwähnt hatte, einsetzen können. Dies würde auch zu all dem passen, was er über die Farinjas herausbekommen hatte. Vielleicht würde sich ihre Liebe zu Maél letztendlich als ihre Schwäche ausnutzen lassen.
Nachdem er gegessen und sich eine Weile ausgeruht hatte, erhob er sich immer noch erschöpft vom Boden und näherte sich dem Schneeberg. Er schloss die Augen und versuchte, seinen Geist auf Maél auszurichten. Aufgrund des Ringes um seinen Hals war er in der Lage zu spüren, ob er noch lebte oder nicht. Denn der Zauberbann, mit dem er ihn belegt hatte, würde in dem Moment sein Ende finden, wenn Maél den Tod gefunden haben würde. Erleichtert stellte er nach wenigen Augenblicken fest, dass er noch lebte. Er fühlte deutlich die Fesseln der dunklen Macht, die er dem jungen Mann umgelegt hatte. Doch er bemerkte noch etwas anderes, etwas, das ihn mit Ehrfurcht, aber auch mit Zuversicht erfüllte. Er konnte eine Macht spüren, eine Macht, der er bisher noch nie begegnet war. Die Magie der Hexe war es nicht. Die hatte er auch im Schloss noch nicht gespürt. Entweder weil sie noch nicht zu ihrer vollkommenen Entfaltung gefunden hatte oder weil die Hexe sie vor ihm auf wundersame Weise geheim halten konnte. Die Macht, die er in diesem Augenblick fühlte, war so groß, dass sie nur von einem Wesen stammen konnte, von dem Drachen. Elea war also noch im Akrachón. Es war noch nichts verloren.
Darrach wich nicht von der Lawine. Wie eine Statue stand er davor und wartete. Jadora, der sich mit seinen Kriegern nach getaner Arbeit wieder zu den Pferden gesellt hatte – in sicherem Abstand zu dem personifiziertem Unheil -, wartete ebenfalls mit großer Anspannung, dass irgendetwas geschah.
Finlay brach schweißgebadet auf den Knien zusammen und ließ Maél einfach seinen Rücken entlang auf den Boden hinunterrutschen. Er spürte kaum noch seine Hände. Auf dem Weg zum Höhlenausgang hatte er kein einziges Mal angehalten. Er hatte die Zähne zusammengebissen und sich mit dem unerträglichen Schmerz in seinen Händen bis an den Ausgang geschleppt.
Nachdem er wieder zu Atem gekommen war und es geschafft hatte, diesen, seinen Verstand lahm legenden Schmerz auszublenden, begann er sich, mit dem nächsten Problem auseinanderzusetzen. Wie sollte er den riesigen Schneehaufen überwinden? Für einen kurzen Moment huschte ein Lächeln über sein Gesicht, weil er an Maéls Worte denken musste, als er ihn unlängst aufforderte, sich erst dann über ein Problem den Kopf zu zerbrechen, wenn man vor ihm stand.
Hoffentlich habe ich eine zündende Idee! Sonst müssen wir warten, bis der Schweinehund von Darrach...
Weiter kam Finlay nicht mit seinem Gedanken, da Maél plötzlich aufstöhnte. Schnell löste er das Seil um seinen Bauch und fesselte Maéls Hände damit. Das andere, das er in seine Satteltasche gesteckt hatte, knotete er um seine Beine. So verschnürt, hatte Maél keine Chance, wieder zu Elea zurückzugelangen oder sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Er begann nun auch, sich zu regen, wobei seine Bewegungen immer hektischer und kraftvoller wurden, als er bemerkte, dass er gefesselt war. Er riss die Augen auf und schrie Finlay zu: „Finlay! Verdammt! Du hast mich gefesselt. Schnell! Vorne unter meiner Hose. Eleas Stein, er verbrennt mich!“ Finlay griff rasch in Maéls Hose und zog den Stein heraus. Sein Licht pulsierte rasend schnell. Die Männer sahen sich erstaunt an. Maél löste seinen Blick von dem Stein und sah sich um. „Wir sind ja schon am Ausgang! War ich lange bewusstlos?“ Finlay reagierte nicht auf seine Frage. Er starrte immer noch stirnrunzelnd auf den leuchtenden Stein. Maél gab schließlich die Hoffnung auf, eine Antwort zu bekommen. Dafür begann er, sich wie wild in seinen Fesseln zu winden, als ob er versuchte, sich von ihnen zu befreien. Darrachs Befehl, Elea wieder zurückzubringen, hatte in ihm die dunkle Kraft, die ihn antrieb, bedrohlich anwachsen lassen. Sein Blick heftete sich wie der eines lauernden Raubtiers auf das andere Ende des Höhlenganges, von wo Finlay ihn mit seinen wunden Händen wie durch ein Wunder zum Ausgang geschleppt hatte. „Du hast gute Arbeit geleistet, Finlay. Ich bin nicht in der Lage, der dunklen Macht in mir nachzugeben. – Sprichst du irgendwann wieder zu mir oder was ist los?“, fragte er
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