Die Traene des Drachen
dem Schloss den schlimmen Bluterguss im Gesicht beibringen musste.
Während Maél sich höchster geistiger Anstrengung hingab, wurde Finlay sich schonungslos der Tatsache bewusst, dass er Maél - vorausgesetzt, ihm würde es gelingen, eine Energie aufzubauen ähnlich wie die Eleas - gleich wieder tragen musste und dies zudem im Lauf. Und falls Maél sich wehren würde, dann müsste er ihn womöglich bis ans Ende des Schneehaufens den Boden entlangschleifen. Als Finlay seinen in der Höhle nervös umherwandernden Blick wieder auf Maél ruhen ließ, stach ihm sofort der Stein ins Auge. Er hatte aufgehört zu pulsieren. Aber dafür leuchtete er in einem so starken roten Licht, dass es ihn blendete, wenn er länger darauf schaute. Außerdem bildete sich um ihn herum weißer Rauch. Maél schien von alldem nichts mitzubekommen. Er hatte immer noch die Augen geschlossenen und saß mit auf den Rücken gefesselten Händen und vor sich ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Von seiner Stirn perlten Schweißtropfen sein Gesicht herab, während der Stein ein immer gleißenderes Licht aussandte. Er war inzwischen von einer Rauchwolke umgeben. Finlay wagte nicht, ihn zu warnen. Vielleicht war dies ihre einzige Chance, den Schnee mit Hilfe des Steines zu überwinden. Plötzlich hatte er das unbestimmte Gefühl, dass er in Deckung gehen musste. Er zog sich ein paar Schritte zurück und hielt sich schützend eine Hand vor die Augen, weil das Leuchten immer unerträglicher wurde. Aufgrund des weißen Rauches und des grellen Lichtscheins konnte er Maél kaum noch erkennen. Er hatte sich gerade wieder von ihm abgewandt, weil ihm die Augen schmerzten, als es einen ohrenbetäubenden Knall gab, der durch die Höhle dröhnend schallte. Rasch drehte er sich wieder um. Maél lag auf dem Rücken. Er rannte schnell zu ihm und wedelte den Rauch weg, um besser sehen zu können. Maél hatte die Augen geöffnet und nickte ihm heftig zu, was Finlay als Aufforderung interpretierte, ihn zu schnappen und loszurennen. Sein Blick blieb dabei kurz auf dem Stein haften. Was er sah, faszinierte und erschreckte ihn zugleich. Aber er konnte sich jetzt nicht damit auseinandersetzen. Er musste handeln, und zwar schnell, da Maéls Blick immer dringlicher wurde. Seine Satteltasche hatte er sich zuvor schon um den Hals gelegt, da er kein Seil mehr hatte, um sie sich um die Hüfte zu binden. Er ergriff wieder unter Ächzen den Mann und legte ihn sich erneut über die Schulter. Die Zähne zusammenbeißend, rannte er einfach los, ohne einen einzigen Gedanken an die Wand aus Schnee zu verschwenden. Und tatsächlich: Es funktionierte genau wie schon bei Elea. Er rannte hinein, als ob er durch einen Durchgang in einen anderen Raum gehen würde. Er rannte so schnell es eben ging, mit einem hundertachtzig Pfund schweren Mann auf der Schulter. Nur kurz hielt er an, um Maél wieder zurecht zu rücken. Dieser ließ alles passiv über sich ergehen. Er leistete nicht die geringste Gegenwehr. Finlay trabte wieder los. Ihm lief bereits der Schweiß in Strömen sein Gesicht und unter seiner dicken Kleidung den Körper hinunter. Er nahm kaum Notiz von dem Glitzern um sich herum, das jetzt langsamer an ihm vorbeizog als noch am Morgen mit Elea. Er war nur zu einer Wahrnehmung fähig: der Schmerz in seinen Händen, der immer heftiger wurde. Er musste sich irgendwie davon ablenken. Deshalb löste er seinen starren Blick vom Boden und richtete ihn angestrengt geradeaus - in der Hoffnung vielleicht das Ende des Schneeberges zu erkennen. Doch was er vor sich entdecken musste, ließ ihn beinahe vor Schreck über seine eigenen Füße stolpern. Er konnte wie durch eine Fensterscheibe, in nicht mehr weiter Entfernung eine Gestalt stehen, die in ihm ein unvorstellbares Grauen, aber auch Wut hervorrief: Darrach. Er verlangsamte in einem ersten Reflex heraus etwas sein Tempo. Maéls Körper lastete auf ihm immer noch ohne jeglichen Widerstand. Er hatte sogar den Eindruck, als wäre er ohne Bewusstsein. Mit einem Mal schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Was wäre, wenn mit Maéls Bewusstlosigkeit die Magie schwinden würde? Wären sie dann lebend in den Schneemassen begraben? Ihm blieb nichts anderes übrig, als weiterzugehen, hinaus zu dem Mann, den er mehr als alles andere auf der Welt hasste. Das langsamere Tempo hatte ihm wieder zu einem ruhigeren Atem verholfen, sodass er genug Kraft hatte, um wieder schneller zu werden. Er wusste nicht, ob auch Darrach ihn sehen konnte. Außerdem konnte
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