Die Traene des Drachen
sich wieder zu beruhigen und – sie konnte es kaum glauben – um diesen Moment zu genießen, in dem er ihre Hände sanft festhielt. Maél genoss es ebenfalls. Beiden war dabei entgangen, dass die Krieger sie eingeholt hatten und grinsend darauf warteten, dass es weiterging. Jadora räusperte sich schließlich, worauf Maél unsanfter als beabsichtigt Eleas Hände wegschob. Sie war so sehr in ihrem Gefühlswirrwarr versunken, dass sie nicht einmal das Räuspern vernommen hatte und sich schon über das abrupte Ende dieser zärtlichen Berührung beklagen wollte, als sie ebenfalls die Krieger um sie herum erblickte. Maél zog seine Handschuhe wieder an und stieß Arok die Fersen in die Seiten.
Sie hatten bereits viele Meilen zurückgelegt, als Elea urplötzlich eine Müdigkeit überkam, sodass sie sich kaum noch hinter Mael halten konnte. Immer wieder nickte sie ein und lockerte ihren Griff um Maéls Taille. Er konnte sie dann immer gerade noch im letzten Moment festhalten, bevor sie auf den Boden fiel. Kurzerhand blieb er stehen und ließ sie langsam von Arok hinuntergleiten, um sie vor sich auf den Sattel hoch zu ziehen. Elea ließ alles stumm im Halbschlaf über sich ergehen. Sie schmiegte sich sofort wohlig an seine breite Brust und ließ es diesmal bereitwillig zu, dass er seinen Arm fest um sie schloss und sie an sich drückte.
Die nächsten Tage vergingen wie schon die ersten drei Tage ihrer Reise immer nach demselben eintönigen Muster: reiten, essen, reiten, essen, schlafen. Den Männern schien, das nichts auszumachen. Sie konnten damit besser umgehen, als sich mehrere Tage lang am selben Ort aufzuhalten. Hauptsache sie waren in Bewegung. Und genau das war es, was Elea fehlte. Sie sehnte sich nach ihren ausgedehnten Läufen, in denen sie sich verausgaben konnte. So saß sie aber passiv auf dem Pferd und sah immer das gleiche Bild an ihr vorüberziehen. Elea hielt es vor Langeweile kaum noch aus. Sie ging sogar schon soweit, öfter als notwendig ihre Blase zu entleeren, nur um ein paar Schritte gehen zu können. Maél beäugte sie deswegen schon misstrauisch.
Die Nächte wurden immer kühler. Elea stellte sich jedoch stur und lehnte Maéls Angebot ab, wieder sein Schlaffell zu nehmen. Deshalb zog sie sich zum Schlafen eine ihrer beiden Leinenhosen noch über die Lederhose und unter ihrer Lederjacke noch ein zweites Hemd. Sie legte sich dann so nah wie möglich an das Lagerfeuer.
Seit der zärtlichen Geste auf dem Pferd gab Maél sich der jungen Frau gegenüber genauso wortkarg wie den anderen. Er begnügte sich damit, sie mit einem für Elea undurchschaubaren Blick zu beobachten, was sie zu ihrem Ärger verunsicherte. Jadora wurde ihr Hauptgesprächspartner. Er erzählte ihr von seiner Jugend, seinem Werdegang als Krieger des königlichen Heers und von seiner Familie und Elea von ihrem Leben bei Albin und Breanna. Von Zeit zu Zeit stellte sie ihm auch Fragen über Maéls Herkunft und Vergangenheit, die dieser ihr aber nie beantworten konnte oder wollte. Sie solle sich lieber direkt an Maél wenden, war dann immer seine Erwiderung. Dazu hatte sie aber momentan jedoch noch nicht den Mut. Zumal er sich von ihr immer mehr zurückzog.
An einem stürmischen Nachmittag stieß Elea einen Freudenschrei aus, der über die Ebene hinweg hallte. In einiger Entfernung kam vor ihren Augen eine kleine Stadt mit einem angrenzenden Wald zum Vorschein.
„ Freut Euch nicht zu früh! Wir werden keinen Schritt in die Stadt setzen. Alles, was wir zum Essen brauchen finden wir in dem Wald“, kommentierte Maél Eleas Freudenschrei. „Damit kann ich leben. Hauptsache ich sehe mal etwas anderes als Gras und Sträucher.“ Sie hatten den Wald noch nicht ganz erreicht, als wie aus dem Nichts heraus das Wetter umschlug. Der Wind wurde noch stärker als bisher und dunkelgraue Wolken zogen in rasantem Tempo auf. Maél nahm daraufhin seine Maske ab. Elea sah gerade an ihm hoch, als eine starke Bö von rechts sein langes Haar zur Seite wehte, sodass sie freie Sicht auf sein Ohr hatte. Sie wollte zuerst nicht ihren Augen trauen, aber nach dem zweiten Hinsehen bestand kein Zweifel darüber: Sein Ohr verlief spitz nach oben. Sie hob unwillkürlich ihre rechte Hand und berührte es. Maél versteifte sich sofort. „Was soll das?“ schnauzte er sie an. „Was ist mit Eurem Ohr? Es ist spitz“, fragte Elea zaghaft. „Na und? Das linke Ohr ist es auch“, antwortete er schroff. „Entschuldigt bitte, dass ich etwas überrascht bin
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