Die Traene des Drachen
dass sie die meist neckenden Gespräche mit ihm und sein spöttisches Lächeln in den letzten Tagen mehr als vermisst hatte. Der Kontakt mit seinem heißen Körper hatte ihr das nur allzu deutlich vor Augen geführt. Und nicht nur das. Ihr Körper erbebte regelrecht in der innigen Umarmung und bescherte ihr Empfindungen, die sie bisher noch nicht erlebt hatte, nicht einmal bei Kellen. Aber das leuchtete ihr auch ein, da sie in ihm einen Bruder, bestenfalls einen Freund sah. Aber was sah sie in Maél, in ihrem Entführer? Das war die entscheidende Frage, von der sie vor einer Weile befürchtete, dass Maél sie ihr stellen würde. Völlig verzweifelt über ihre Lage, barg sie ihr Gesicht in den Händen. Jadora kam sofort zu ihr und fragte sie besorgt, ob es ihr nicht gut ginge. Elea gab Müdigkeit vor. Am liebsten hätte sie sich gleich schlafen gelegt, um nichts und niemanden mehr zu sehen und zu hören, aber dann hätte sie das wärmende Feuer verlassen müssen und auf das konnte sie im Augenblick nicht verzichten.
Nach einer halben Ewigkeit – die Krieger nebst Maél hatten bereits angefangen, hemmungslos zu gähnen - gab Jadora das erlösende Zeichen, dass das Fleisch gar war. Das erste Stück bot er sogleich Elea an, die aber dankend ablehnte. Maél schaltete sich sofort ein. „Ihr müsst essen, sonst macht Ihr uns noch schlapp, bevor wir den Wald wieder verlassen haben. Von Euren Fettpolstern, die ihr Euch vor ein paar Tagen angefuttert habt, ist nicht mehr viel übrig“, ermahnte er sie, als wäre sie ein kleines Kind. Sie wand ihre Arme hektisch aus Maéls Fell heraus und riss Jadora verärgert das Fleisch von der Messerspitze. „Ihr müsst es ja wissen!“
„ Im Übrigen solltet Ihr zum Schlafen Euer Haar bedecken. Wir kennen den Wald noch nicht gut genug und wollen doch keine unliebsamen Besucher anlocken!“ Mael legte ihr das Kopftuch vor die Füße. Elea warf ihm nur einen giftigen Blick zu und begann die ersten Bisse hinunterzuwürgen. Anschließend bestand er darauf, dass sie noch ein zweites Stück Fleisch aß. Sie aß es ohne zu murren, da es ihr besser schmeckte als sie zugeben wollte.
Nach dem Essen band sie sich das Tuch um den Kopf und wollte ihr Gepäck näher ans Lagerfeuer holen. Mael hielt sie jedoch am Knöchel fest und fragte: „Was habt Ihr vor?“
„ Ich will meine Sachen näher ans Feuer holen.“
„ Das habe ich bereits für Euch erledigt.“ Er zeigte auf ihren Rucksack und ihren Umhang, der direkt hinter ihr ausgebreitet auf dem Boden lag. Einmal mehr über seine Zuvorkommenheit überrascht machte sie sich gleich daran, aus ihrem Rucksack zwei trockene Hemden herauszuholen, die sie schnell übereinander anzog. Ihre feuchte Lederhose wagte sie nicht, vor den Männern auszuziehen. Und ihre Lederjacke war noch zu nass. Die konnte sie beim besten Willen nicht überziehen. Der Fellumhang und das Lagerfeuer mussten für diese Nacht also genügen.
Es wollte ihr jedoch einfach nicht gelingen, eine Schlafposition zu finden, in der sie möglichst wenig fror. Ständig wälzte sie sich hin und her. Plötzlich spürte sie direkt neben sich Bewegungen. Sie schoss mit dem Oberkörper in die Höhe und erkannte Maél. „Was soll das?“, fragte sie entrüstet. „Wir werden uns gegenseitig wärmen, vielmehr ich werde Euch wärmen, da ihr wahrscheinlich schon wieder kalt wie ein Eiszapfen seid. Wickelt Euren Umhang auf, dann können wir uns beide darauf legen. Mit meinem Fell decken wir uns zu. Und bevor Ihr mich jetzt gleich lautstark beschimpfen werdet, denkt daran, was Ihr heute Abend selbst zu mir gesagt habt, nämlich dass wir die nächsten Wochen Sattel und Nachtlager teilen werden.“ Darauf hatte Elea keine schlagfertige Erwiderung. Sie verrollte nur die Augen und folgte seiner Aufforderung. Auf der Seite liegend ließ sie zu, dass er sich an ihren Rücken schmiegte und den Arm um sie legte. Es dauerte nicht lange, da erfasste sie die Wärme des Mannes wie schon kurz zuvor, als er sie mit seinem nackten Oberkörper gewärmt hatte. Ihre Anspannung fiel immer mehr von ihr ab. Sie verstand gar nicht, warum sie erst so entrüstet reagiert hatte. Mit ihm so da liegen fühlte sich so unglaublich gut an, auch wenn es natürlich völlig absurd war. Immerhin war sie seine Entführte. Noch dazu hatte er sie mehrmals geschlagen. Aber sie war zu müde, um wegen dieser nicht nachvollziehbaren Empfindung mit sich ins Gericht zu ziehen. Sie schloss die Augen und ergab sich dem Schlaf.
Maél lag
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