Die Traene des Drachen
hingegen noch lange wach neben Elea. Er befand sich ebenfalls in einem Gefühlsaufruhr. Sie strahlte irgendetwas aus, von dem er – zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt - nicht sagen konnte, was es war. Er wusste nur eins: Ihre Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, wurde von Tag zu Tag größer. Für ihn war es jetzt vollkommen unverständlich, wie er sie jemals hatte schlagen oder sie halbnackt bei Wind und Wetter an den Baum hängen können. Er empfand seit jener Nacht zunehmend das Bedürfnis sie zu beschützen. Und jedes Mal, wenn er sie berührte, liefen ihm gleichzeitig kalte und heiße Schauer den Rücken hinunter. Dennoch versuchte er immer wieder in schwachen Momenten, die von finsteren Gedanken geprägt waren, gegen diese Gefühle anzukämpfen, weil sie so gar nicht zu ihm passten und ihn verunsicherten. Was ihn ebenfalls beschäftigte, war die Tatsache, dass sie – jetzt, wo sie seine spitzen Ohren entdeckt hatte – keine Scheu vor ihm empfand. Im Gegenteil, er hatte sogar den Eindruck, dass sie seine Berührungen genoss. Ihre häufige Kratzbürstigkeit ihm gegenüber musste er einfach als einen ihrer Charakterzüge hinnehmen. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, was sich im Laufe der Reise zwischen ihnen noch ergeben würde – geschweige denn, was erst geschehen würde, wenn er sie König Roghan ausliefern musste.
Die Sonne ging bereits auf, als Elea zum ersten Mal mit einem Gefühl erwachte, nicht jeden einzelnen Knochen – nach einer Nacht auf dem harten Boden - zu spüren. Sie wollte sich gerade wohlig unter dem warmen Fell räkeln, als ihr bewusst wurde, dass sie halb auf etwas Weichem lag. Sie schlug vorsichtig die Augen auf und wäre vor Schreck beinahe in die Höhe gesprungen, hätte sie Maél nicht festgehalten. Sie lag mit ihrem Kopf und Oberkörper halb auf seiner Brust und ein Bein hatte sie besitzergreifend um ihn geschlungen. Augenblicklich schoss ihr die Röte ins Gesicht. „Ich hoffe, wohl geruht zu haben“, musste sie sich von Maél in spöttischem Ton anhören. „Ja... Wie lange liege ich schon so... auf Euch?“, fragte Elea schamvoll. „Ich glaube, die halbe Nacht. Also Ihr überrascht mich doch immer wieder. Ich hätte niemals im Traum daran gedacht, dass Ihr Euch im Schlaf so hemmungslos an den Hals eines Mannes werfen würdet. So gesehen, könnte das Teilen des Nachtlagers interessant werden. Wie alt seid Ihr eigentlich? Ihr konntet offenbar schon einige Erfahrungen bei Eurer Liebschaft mit Kellen sammeln“, neckte er sie. Elea wurde wütend und trommelte ihn laut beschimpfend mit den Fäusten auf seiner Brust herum. „Mein Alter geht Euch gar nichts an! Lasst mich jetzt augenblicklich los, Ihr verdammter Mistkerl!“ Maél ließ sie auf einmal so abrupt los, dass sie seitlich an ihm herunterkullerte. Sie erhob sich rasch, während er sich lässig auf einem Ellbogen abstützend sie angrinste. „Euch wird das Grinsen noch vergehen!“, fauchte sie ihn an. Die lautstarke Auseinandersetzung lockte auch die anderen aus ihren Schlaffellen hervor. Der Sturm hatte sich beruhigt und es hatte aufgehört zu regnen. Die Krieger begannen sofort damit, das Lager abzubrechen. Das Frühstück fiel, wie üblich, aus. Elea packte wutentbrannt ihre Sachen zusammen und wartete demonstrativ bei Jadoras Pferd. Dort aß sie ihre letzten Haferkekse und spülte sie mit Wasser hinunter. Sie war so verärgert über Maéls spöttische Art und seine anzüglichen Andeutungen, dass sie beschloss, ihn den ganzen Tag und, wenn es sein musste, noch die nächsten Tage zu ignorieren.
Die Gruppe bahnte sich noch nicht lange einen Weg durch den immer dichter werdenden Wald, da war Elea längst klar, dass mit diesem etwas nicht stimmte. Je tiefer sie hinein ritten, desto stiller wurde es und desto weniger Vögel sah man. In ihr entstand ein seltsames beklemmendes Gefühl, das sie bisher noch nicht kannte. Sie sprach mit Jadora darüber, der ihre Sorge damit abtat, dass sie sich das nur einbilden würde. Sie dachte darüber nach, mit Maél über ihre Beobachtung zu sprechen, verwarf den Gedanken aber schnell wieder, da sie ihn ja ignorieren wollte. Ihr fiel jedoch auf, dass er sich stets in alle Richtungen umsah und häufig abstieg, um den Waldboden genauer zu inspizieren. Während einer kurzn Rast zur Tagesmitte wandte sich Maél an Jadora. „Es gibt hier im Wald ziemlich viele menschliche Spuren. Wir sollten in erhöhter Alarmbereitschaft sein und so schnell wie möglich diesen Wald hinter
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