Die Tränen der Justitia (German Edition)
ziemlich verärgert, gab jedoch bereitwillig Auskunft.
«Nach unserem Gespräch bin ich zu Lukas in den Römerhof gefahren. Ich wollte ihm sagen, dass er auf mich zählen kann. Doch die Unterhaltung entwickelte sich von Anfang an sehr negativ. Ums kurz zu machen, er beschimpfte unsere Bank als einen Sauladen. Jetzt, wo wir zu ihm stehen müssten, würden wir den Schwanz einziehen. Er werde bei nächster Gelegenheit die Bank wechseln. Da bin ich explodiert und habe ihm meinerseits Vorhaltungen gemacht. ›Kein Schwein glaubte an dich, ausser unserem CEO. Ohne uns wärst du längst Konkurs. Du bist ein undankbarer Vollarsch‹ oder so etwas Ähnliches habe ich zu ihm gesagt.»
«Und?»
«Er warf mich raus. Das alles passierte, noch bevor ich ihm meine Unterstützung anbieten konnte. Eigentlich will ich auch gar nicht mehr. Das … das hätte ich nie von Lukas erwartet. Sie dürfen mir glauben, Herr Ferrari, ohne unseren CEO gäbe es den Römerhof nicht mehr.»
«Davon bin ich überzeugt. Notter, das ist der Chef de Service, glaubt, dass der Römerhof kurz vor dem Aus steht.»
«Wundert mich nicht, so wie Lukas jammert und spart. Allerdings war er schon immer ein totaler Sparfuchs. Früher gingen wir oft zusammen aus und praktisch jedes Mal fand er einen Grund, um nicht zahlen zu müssen … ›Meine Brieftasche liegt zu Hause‹ oder ›Meine Kreditkarte geht nicht‹. Ich könnte ein Buch über seine kreativen Ausreden schreiben. Doch jetzt ist er entschieden zu weit gegangen. Ich bin total enttäuscht und verärgert.»
«Verständlich.»
«Wie Sie ja wissen, kennen wir uns seit der Kindheit, Frau Kupfer. Beruflich verfolgten wir zunächst verschiedene Wege, doch eines schönen Tages begegneten wir uns hier in der Bank wieder. Lukas stand ein paar Stufen über mir, als Referent des CEO. Aber das hat er mir nie zu verstehen gegeben. Unsere Freundschaft blühte wieder auf, und es war toll zu erleben, wie er durch seine eigene Familie ausgeglichener wurde. Sie dürfen unseren Streit nicht überbewerten. Das renkt sich wieder ein. Jetzt bin ich zwar noch ziemlich sauer, doch spätestens in ein paar Tagen gebe ich nach. So läuft das immer bei uns.»
«Und wenn er tatsächlich die Bank wechselt?»
«Was ich ihm sagte, waren keine leeren Worte. Er verdankt unserer Bank, dass der Römerhof überhaupt noch in Familienbesitz ist. Ich glaube, das hat er begriffen. Falls nicht, stünde unsere Freundschaft ernsthaft auf dem Spiel. Alles hat seine Grenzen.»
«Vielleicht dürfen Sie im Moment nicht alles auf die Goldwaage legen. Die Familie Doppler befindet sich in einer Extremsituation. Die Nerven liegen bei allen Beteiligten blank.»
«Das stimmt natürlich, auch wenn sich damit nicht alles entschuldigen lässt. Am Sonntag treffe ich übrigens vor dem Match Josef. Wir gehen nochmals unsere Finanzen durch. Gut siehts nicht aus. Wundert mich auch nicht, wir machen einfach zu viele Fehler.»
«Wie meinen Sie das?», fragte Ferrari.
«Schauen Sie sich nur unseren Spielplan an. Die Hälfte der Spiele findet gleichzeitig mit jenen des EHC oder des FCB statt.»
«Der EHC ist sicher keine Konkurrenz.»
«Sagt der arrogante Fussballfan Ferrari.»
«Nichts als die Wahrheit, Nadine.»
«Sind Sie FCB-Fan, Herr Kommissär?»
«Ich schaue mir alle Spiele an.»
«Dann erübrigt sich eine Diskussion. Ihnen und den anderen fünfundzwanzigtausend ist es egal, was mit dem EHC und dem BHC geschieht. Für Sie sind das Randsportarten.»
Ferrari nickte zustimmend, enthielt sich aber eines Votums.
«Was für eine Arroganz und Ignoranz!», empörte sich Nadine.
«So sind sie halt, die FCB-Fans. Waren Sie schon einmal an einem BHC-Match, Herr Ferrari? Und Sie, Frau Kupfer?»
«Ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten, doch im Handball fällt praktisch bei jedem Angriff ein Tor. Die Resultate bewegen sich in der Höhe von zweiunddreissig zu neunundzwanzig. Ehrlich gesagt, Handball interessiert mich noch weniger als Eishockey.»
Wiedmer öffnete die oberste Schublade seines Schreibtischs.
«Hier, vier Gratiseintritte. Sie sind herzlich eingeladen.»
Nadine steckte sie ein.
«Josef will übrigens das Gespräch nochmals aufnehmen. Er hat eingesehen, dass er im Falle eines Falles nicht darum herumkommt, mit Borer zu sprechen.»
«Sagt er das?»
«Er bat mich um Unterstützung. Ich konnte ihn beruhigen. Wenn es soweit ist und sich die Entführer melden, wird Julia von sich aus ihren Vater um Hilfe bitten. Das liegt in der Natur
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