Die Tränen der Justitia (German Edition)
Junge soll den Römerhof wieder auf die Beine gebracht haben. Eine andere Generation, mehr ein Managertyp.»
«Wie Sie.»
«Stimmt. Ich bin gut in meinem Job, hemdsärmelig, ohne Krawatte und Anzug und entscheide meist aus dem Bauch heraus. Was ist mit Lukas?»
«Er ist mit Julia Borer verheiratet.»
«Kenne ich nicht. Und?»
Ferrari nahm einen weiteren Schluck.
«Julia Borer ist die Tochter von Staatsanwalt Jakob Borer.»
Mark Hotz sah Nadine aufmerksam an.
«Vor einer Woche wurde Lena, Julias und Lukas’ Tochter, entführt.»
Hotz nickte.
«Scheisse! Jetzt begreife ich eure Nervosität. Wie alt ist die Tochter?»
«Neun Monate.»
«Scheisse! Ein Baby! Das gibts doch nicht. Welches perverse Arschloch macht so was?»
«Wir tappen im Dunkeln. Die Entführer haben sich bisher nicht gemeldet.»
Hotz ging in seinem Büro auf und ab.
«Verdammter Mist! Solange ihr nicht wisst, was Sache ist, geht der Scheiss jeden Abend weiter. Na prima. Was erwartet ihr von mir?»
«Lassen Sie Ihre Beziehungen spielen. Ihr Beizer seid ja so etwas wie der zweite Staat im Staat, euch entgeht nichts.»
«Wenns so wäre!» Hotz öffnete die Tür. «Hey, Conny! Ruf Joe und Chris an. Ich will sie in einer Stunde hier im Twingo sprechen. Sag ihnen, es sei verdammt wichtig.» Hotz setzte sich. «Eine gotterbärmliche Sauerei! Wenn einer aus dem Basler Milieu dahintersteckt, kriegen Sie ihn von uns auf dem Silbertablett serviert.»
«Danke.»
«Nichts zu danken.» Hotz griff in die Schublade seines Schreibtischs und nahm ein gerahmtes Foto heraus. «Meine vier Töchter. Weiberhaushalt! Ein absolutes Tollhaus und mein Ein und Alles … Allein der Gedanke, dass ihnen oder meiner Frau etwas zustossen könnte …», er schüttelte vehement den Kopf. «Sie können mit unserer Unterstützung rechnen.»
«Rufen Sie uns bitte an», Ferrari schob seine Visitenkarte über den Tisch, «falls Sie etwas herausbekommen. Und bitte keine Selbstjustiz.»
Hotz lächelte.
«Versprochen! Es ist ja keine von meinen Töchtern.»
«Sagt Ihnen der Name Toni Kaltenbach etwas?»
«Kaltenbach … Kaltenbach … nein, das sagt mir nichts.»
«Ende fünfzig, hagere Gestalt, sonore Stimme, immer mit der Bibel unter dem Arm unterwegs.»
«Der verrückte Pfaffe! Ja, den kenne ich. Er versucht, meine Girls zu missionieren, aber ab und zu legt er eine Pause ein.»
«Ich verstehe nicht.»
«Ab und zu bumst er eine von den Prostituierten, Francesco!»
«Aha!»
«Ist Ihr Kollege immer so begriffsstutzig?»
«Nur, wenn es nicht in sein Denkmuster passt. Dafür verträgt er einiges mehr als ich.»
Der Wirt schmunzelte.
«Wollen Sie noch einen Hotz-Spezial?»
«Nein, das will er nicht. Er ist nämlich im Dienst, auch wenn er das manchmal vergisst.»
«Super! Endlich einmal ein Kommissär mit menschlichen Zügen. Sie sind mir echt sympathisch.»
«Sagt Ihnen der Name Franz Heller etwas?»
«Eine üble Sau! Ihm gehörte die Apotheke am Claraplatz. Seine erste Frau war die Schwester von Chris, Chris Habegger. Der besitzt einige Lokale in der Stadt, er kommt nachher mit Joe Manz vorbei. Chris, Joe und ich – wir sind seit Urzeiten gute Freunde und im gleichen Geschäft tätig. Seit dem Prozess gegen Heller wegen des Giftmords an seiner zweiten Frau glaubt Chris, dass das Schwein auch seine Schwester auf dem Gewissen hat. Wahrscheinlich stimmt das sogar. Sie wurde immer schwächer und ging dann wie eine Primel ein. Aber was haben Kaltenbach und Heller mit der Entführung der Kleinen zu tun?»
«Beide drohten dem Staatsanwalt und schworen Rache.»
«Dieser Kaltenbach, das ist ein Spinner. Doch dem traue ich das nicht zu. Heller hingegen ist eine absolut fiese Sau. Jetzt können Sie doppelt mit unserer Hilfe rechnen. Wenn ich Chris sage, dass ihr hinter Heller her seid, gibt er alles.»
Die Jagdsaison war eröffnet. Nadine und der Kommissär verliessen zufrieden das Twingo.
«Hier, nimm ein Pfefferminz. Es muss ja nicht die ganze Welt mitbekommen, dass der beste Basler Ermittler ein Alki ist.»
«Hm. Danke.»
9. Kapitel
Big Georg musste unplanmässig einen Grossteil seiner Leute von der Suche nach Lena abziehen. Die Kolleginnen und Kollegen murrten zwar, aber es liess sich nicht mehr verantworten. Es gab, so herzlos es klingen mochte, andere Brandherde in der Stadt.
«Meine Leute sind am Limit, Francesco. Nacht für Nacht klappern wir Bars und Nachtclubs ab. Sie wollen zwar weitermachen, doch wir müssen eine Verschnaufpause einlegen und uns auch
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