Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Whiskey rationieren?«, fragte Vincent unwillig. »Unter dem Kommando von Kerlen wie diesem Coltrane?«
Preston zuckte die Achseln. »Man setzt wohl auf die Erfahrung von Berufssoldaten. Was die jeweils daraus machen, ist zweifellos Ermessenssache. Und unser Coltrane … er ist wohl Neuseeländer. Das meinen jedenfalls die Aussies. Die Kiwis sagen, er sei Ire. Aber ohne jeden Zweifel ist er englischer Offizier mit Diplom der Sandhurst Academy. Danach gab es wohl einen Karriereknick. Angeblich war er aus dem Dienst ausgeschieden und ist jetzt als Freiwilliger wieder dabei.«
»Nach dem, wie er aussieht, muss er jedenfalls schon etliche Kämpfe hinter sich haben«, bemerkte Vincent und bediente sich am Whiskey.
Tatsächlich war das Gesicht des Majors voller Narben. Etliche Zähne fehlten, Nase und Kiefer standen schief nach sicher mehreren Brüchen. Das machte auch das Alter des Mannesschwer einschätzbar. Zumal die weißen Strähnen in seinem blonden Haar kaum auffielen – blondes Haar mit einem fast metallisch goldenen Schimmer.
Kevin Drury biss sich auf die Lippen. »Also, wenn ich mich nicht irre, dann hat er sich die Blessuren nicht im Krieg zugezogen, sondern eher bei Schlägereien mit Gaunern und Buchmachern«, erklärte er dann. »Ich kann falschliegen, Coltrane ist ja ein häufiger Name, und ich war damals noch ziemlich klein. Aber die Haarfarbe hat er jedenfalls gemeinsam mit dem Kerl, der meine große Schwester geschwängert und dann sitzen gelassen hat, nachdem meine Eltern keine überhöhte Mitgift rausrücken wollten. Stattdessen hat er dann eine reiche Erbin geheiratet und unglücklich gemacht. Sie hat ihm eine Trabrennbahn oder so was in den Fjordlands finanziert, die er später runtergewirtschaftet hat. Es soll auch was mit Wettbetrug gewesen sein … Aber ursprünglich hat er eine ganz renommierte Militärakademie besucht. Das Diplom ist echt.«
Vincent und Tracy staunten.
»Die Welt ist klein«, bemerkte Letzterer.
Vincent und Kevin lachten. »Neuseeland ist ein Dorf!«, beschied Vincent den Australier. »Jedenfalls die Südinsel. Aber was machen wir jetzt? Ich meine, nachdem wir das alles wissen?«
Tracy zuckte die Schultern. »Was sollen wir denn machen? Mitgiftjagd ist ja nicht gerade gentlemanlike, aber auch nicht direkt verboten. Und der Wettbetrug dürfte die Heeresleitung auch nicht interessieren. Zumindest nicht, wenn er ein guter Offizier ist. Schauen wir uns also erst mal an, wie er sich macht. Und wenn wir mit ihm nicht klarkommen, suchen wir uns ein anderes Kommando.«
Bisher war es den Ärzten mehr oder weniger freigestellt gewesen, welcher Gruppe der Rough Riders sie sich anschlossen. Major Colin Coltrane sollte aber auch damit rasch aufräumen. Gleich am nächsten Tag inspizierte er die Krankenstation.
»Sie sind die Stabsärzte? Keiner richtigen Einheit angegliedert? Dann gehören Sie jetzt zu diesem Regiment – ich mache das noch offiziell, solange wir so nah bei Pretoria sind. Wir werden auch weitere Verstärkung bekommen. Wie es aussieht, vergrößern die Buren zurzeit ihre Kommandos.«
»Vergrößern?«, fragte Tracy. »Wie denn? Sie haben doch keine Einberufungsregelungen, und da der Krieg ohnehin offiziell vorbei ist …«
»Da schließen sich mehrere Kleingruppen zusammen«, gab Coltrane Auskunft. »Und durch den Friedensschluss haben sie auch Kontingente frei, die ganzen Besatzungen der Städte, die jetzt frei sind. Die hat man ja nicht durchweg zu Kriegsgefangenen erklärt.«
Aus Coltranes Tonfall ging hervor, dass er das für einen Fehler hielt. Ansonsten war seinem zerstörten Gesicht nur schwer eine Regung anzusehen. »Machen Sie sich also auf Arbeit gefasst. Wir bekämpfen die Kerle jetzt ohne Gnade!«
Für die Rough Riders bedeutete das erst mal, ihrem Namen alle Ehre zu machen. Colin Coltrane machte Schluss mit den gemächlichen Patrouillenritten mit einem Patt zwischen Gejagten und Jägern. Die Jäger sollten nun definitiv die Neuseeländer sein, und dazu mussten sie ein größeres Gebiet kontrollieren und sich schneller darin bewegen. In den nächsten Wochen verbrachten die Männer täglich elf bis zwölf Stunden auf ihren Pferden. Zur Jagd auf kleineres und größeres Wild, das bislang regelmäßig den Speisezettel bereichert hatte, kamen sie dabei nicht mehr. Coltrane verbot auch das Abfeuern der Gewehre, um den eigenen Standort nicht zu verraten. Die Verpflegung bestand folglich aus Schiffszwieback und Trockenfleisch, meist im Sattel rasch
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