Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Du kannst der Frau ja sagen …«
Er brach ab. Wahrscheinlich reimte die Patientin sich jetzt schon alles Mögliche über ihn und Nandé zusammen. Wenn er sie jetzt noch mit einer Nachricht schickte …
»Nicht reden mit Nandé, Baas Doortje.«
Nandés kleinlaute Bemerkung ließ Kevin zusammenfahren. Doortje war die Patientin? Sie musste schwer krank sein, wenn sie sich mitten in der Nacht zu ihm stahl. Oder sie brachte ein krankes Kind.
Kevin zog nur rasch seine Breeches an, stieg in seine Stiefel und rannte hinaus, sein Hemd in der Hand. Nandé, die vor dem Zimmer gewartet hatte, folgte ihm neugierig.
»Geh schlafen, Nandé!«, wies er sie an, als sie am Stallzelt vorbeihasteten. »Zu den anderen. Ich finde das Krankenhaus auch allein.«
»Ich nicht helfen?«, fragte die junge Frau.
Kevin kämpfte kurz mit sich, vielleicht konnte er wirklich Hilfe brauchen, und mit Doortje allein zu sein konnte ihn genauso kompromittieren wie die Sache mit Nandé. Andererseits trug Doortje wahrscheinlich kein Nachthemd, sondern war voll bekleidet.
»Schick die beiden Frauen, die Dr. Greenway zur Hand gehen«, entschied er dann. Der Arzt ließ zwei der aufgewecktesten Frauen täglich bei der Krankenpflege helfen. Er hoffte, sie bald als »Schwestern« ins schwarze Lager schicken zu können. »Aber sie sollen sich richtig anziehen!«
Die Anweisung war wahrscheinlich nicht nötig, außer Nandé besaß keine der schwarzen und kaum eine der weißen Frauen im Lager Nachtwäsche. Die meisten schliefen in ihren Kleidern auf dem nackten Boden der Zelte. Auch Doortje trug ihr altes blaues Hauskleid, das Kevin noch aus Wepener kannte. Jetzt war es aber nicht mehr adrett und mit einer hübschen reinweißen Schürze kombiniert, sondern abgetragen und schmutzig und verschwitzt. Doortjes Haube saß schief und ungestärkt auf ihrem blonden Haar, die Bänder, mit denen sie geschlossen wurde, hingen herab. Vom Gesicht der jungen Frau war nichts zu sehen. Sie presste es in die feuchten, verschwitzten Locken ihres jüngsten Bruders. Mit dem Kind im Arm hockte sie vor dem Eingang zum Hospitalzelt.
»Doortje! Miss VanStout! Um Himmels willen, haben Sie das Kind bis hierher getragen?« Kevin ging zu der jungen Frau und nahm ihr Mees’ schlaffen Körper ab. Immerhin warer warm, er glühte gar vor Fieber. Doortje hatte ihn zu ihm gebracht, bevor er starb. Jetzt sah sie Kevin an – mit einem kühlen Blick zwischen Hoffnung und Verachtung. »Und warum haben Sie denn nicht geklopft, wenn Sie zu mir wollten?«
Noch während er sprach, trug Kevin Mees ins Zelt und gleich in den Behandlungsbereich. Doortje sah zu, wie er rasch die Lampen entzündete.
»Ich wollte nicht stören«, sagte sie steif. »Zumal Sie nicht allein waren …« Sie spuckte die letzten Worte aus.
Kevin sah all seine Befürchtungen bestätigt. Leider nicht nur in Bezug auf die Sache mit Nandé, sondern auch auf das Leiden des Kindes auf der Liege. Mees’ Oberkörper zeigte die charakteristischen Rötungen. Typhus.
»Natürlich war ich allein, was soll der Unsinn?«, gab Kevin zurück.
Er suchte nach einem Stethoskop. Er musste wenigstens so tun, als könnte er helfen. Dabei standen die Chancen in diesem Stadium der Erkrankung schlecht für den Jungen.
Doortje stieß verächtlich die Luft aus, dann wechselte sie das Thema. »Können Sie etwas tun?«, fragte sie und streichelte über Mees’ schweißnasses Haar. »Er ist seit zwei Wochen krank.«
Kevin nickte. »Das sehe ich«, sagte er streng. »Sie hätten ihn früher herbringen müssen.«
Doortje sah zu ihm auf, und ihr Blick wurde zum ersten Mal weich und hilflos. »Meine Mutter … Dr. Drury, Sie kennen meine Mutter. Sie hat gebetet und ihn im Fluss gewaschen, um ihn zu kühlen und …«
»Typhus wird durch Bakterien hervorgerufen, die wahrscheinlich in genau dem Wasser schwimmen, in dem er jetzt gebadet wurde. Und vorher hat er es sicher auch getrunken …« Kevin machte Anstalten, Mees’ Fieber zu messen. Er wusste jetzt schon, dass der Wert schwindelerregend hoch sein würde.
Doortje nickte. »Das Milchpulver«, sagte sie. »Man musste es irgendwie auflösen. Und der Fluss ist so nah. Wasser ist doch Wasser, Mutter hat es auch gefiltert …«
Kevin stöhnte. »Cornelis hätte Ihnen gern jeden Tag Trinkwasser gebracht, wenn Sie ihn nicht ständig als Feigling und Verräter beschimpfen würden. Aber er traut sich ja nicht mal mehr in Ihre Nähe.«
»Sein Platz ist im Veld, bei seinem Kommando!«, beharrte
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