Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Burenfrauen waren stur, aber jetzt besann sich auch Kevin auf seinen irischen Dickschädel. Er hielt das Krankenhaus weiterhin offen, nahm Zwangseinweisungen vor – und erzielte wenigstens den kleinen Erfolg, die kranken Kinder zum Essen zu bewegen. Es war reiner Zufall, dass eine der schwarzen Helferinnen zu den »Kaffern« der Familie des kleinen Matthes Pretorius gehört und in deren Haus gearbeitet hatte. Der zehnjährige Matthes begrüßte sie erfreut, traute ihr und löffelte seinen Brei gierig aus, als sie ihn brachte. Als er daraufhin nicht starb – und sich zur Erleichterung der Ärzte zudem schnell von seiner Lungenentzündung erholte –, griffen auch die anderen Kinder zu.
Für die Ärzte blieb die Arbeit aber strapaziös und unangenehm. Kevin schämte sich dafür, wieder keine Zeit für die Revision des schwarzen Lagers zu finden. Bis ihn dann, am vierten Tag nach dem Einsatz der schwarzen Frauen, nachts das Tappen nackter Füße auf dem Korridor vor seinem Schlafraum weckte. Kevin war lange genug mit den Rough Riders geritten, um sofort alarmiert zu sein. Instinktiv griff er nach seinem Gewehr, aber natürlich stand es nicht mehr neben seinem Lager wie in den Monaten im Veld … Kevin fluchte und machte sich bereit, einen Angreifer mit den Fäusten abzuwehren. Dann jedoch hörte er eine schüchterne Frauenstimme.
»Mijnheer Doktor, Sir?«
»Nandé?«
Verblüfft tastete Kevin nach den Streichhölzern und entzündete die Gaslampe neben seinem Bett. Inzwischen schob sich die kraushaarige junge Zulu-Frau ganz in sein Zimmer. Kevin musste lächeln, als er sah, dass sie ein züchtig hochgeschlossenes, mit Spitzen besetztes Nachthemd trug. Es war neu – zumindest für Nandé, tatsächlich stammte es aus einer Spende von getragener Kleidung. Insgesamt waren am Tag zuvor drei Kisten voll gekommen, und die schwarzen Frauen hatten die Sachen sortiert. Nandé hatte sich dabei vor Begeisterung über den Traum in Spitze kaum halten können. Sie hatte zum ersten Mal wieder gelacht, seit Kevin sie aus der schmutzigen Hütte befreit hatte. Der junge Arzt konnte ihrer kindlichen Freude nicht widerstehen – und er handelte ja auch zweifellos im Sinne der Spenderin –, als er dem Mädchen das Hemd schenkte. Nandé war ja nicht weniger bedürftig als die Burenfrauen. Ihre Begeisterung rettete Kevin den Tag. Jetzt allerdings machte ihn die Sache nervös. Kam Nandé, um sich auf ganz spezielle Weise für die Gabe zu bedanken?
»Du … bist jetzt nicht da, um mir das Hemd zu zeigen?«, fragte er vorsichtig. »Wo kommst du überhaupt her?«
Nandé sollte eigentlich mit den anderen schwarzen Frauen im Stallzelt schlafen, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich da herausgestohlen hatte, um zu ihm zu kommen.
Nandé schüttelte den Kopf. »Nein, Baas Doktor, Sir. Nur weil gehört … was …« Die junge Frau imitierte ein Stöhnen, um dem Arzt das Gehörte zu verdeutlichen. »Vor Tür von Doktor. Ich geguckt und …«
»Wo warst du denn, Nandé?«
Die Sache wurde immer seltsamer. Das Stallzelt hatte keine Türen, nur eine Art Vorhang.
Nandé blickte schuldbewusst und kaute auf ihrer Unterlippe, bevor sie weitersprach.
»Ich hier. In Küche.«
»Du hast in meiner Küche geschlafen?«
Nandé nickte. »Nicht böse sein, nicht Strafe, Sir. Aber so schöne Kleid, wie weiße Baas. Und Küche, Zimmer Nandé. Wie weiße Baas …« Über Nandés besorgtes Gesicht huschte ein Leuchten.
Kevin seufzte. Es ging absolut nicht an, dass Nandé in seinem Haus schlief, er durfte sich die Gerüchte gar nicht vorstellen, die sich daraus ergeben würden. Aber andererseits war die Küche des Hauses ein offener Anbau, kaum mehr als ein Grillplatz. Eigentlich konnte niemand glauben, dass er es dort mit seinem schwarzen Hausmädchen trieb. Natürlich gab es einen Zugang zum Haus, Nandé hatte sich ja auch jetzt ungesehen eingeschlichen. Kevin beschloss, der jungen Frau die Übernachtung in der Küche fürderhin zu verbieten, sie jetzt aber nicht dafür zu tadeln.
»Darüber reden wir später«, beschied er sie. »Jetzt weiter. Du hast hier vor meiner Tür ein Stöhnen gehört? Und jetzt ist es weg?«
Nandé schüttelte den Kopf. »Nein, nicht weg. Wollte weglaufen, als sieht mich, aber … Kind zu schwer. Jetzt vor Hospital.«
»Eine Frau mit einem Kind?« Kevin stieg aus dem Bett, das leichte Leintuch, unter dem er schlief, um sich geschlungen. »Geh mal raus, Nandé, ich muss mich anziehen. Dann komme ich.
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