Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
habe dir geholfen. Der Himmel weiß, dass ich alles dafür gegeben hätte, dich zu bekommen!«
»Mich zu bekommen?«, sagte Alix leise.
»Ja! Ich wollte dich besitzen, dich nehmen, dich ganz für mich allein haben. Aber dazu hätte ich wahrscheinlich in Geld schwimmen müssen, und ich besaß keinen Sou. Ich war dir verfallen, du hattest mich verführt, auch wenn du das sicher nicht wolltest.«
Zornig schlug er mit den Fäusten auf die Kirchenbank ein.
»Wenn man reich ist, kann man natürlich leicht die Frau erobern, die man haben will.«
»Mathias!«
Alix war bestürzt und wagte nichts mehr zu sagen.
»Jetzt verliere ich dich zum zweiten Mal, Alix. Dabei hatte ich geglaubt, ich könnte es inzwischen mit einem Rivalen aufnehmen. Ich bin kein Habenichts mehr, kein Hausierer, kein Obdachloser, nicht einmal mehr ein einfacher Arbeiter!«
»Du bist mein Freund und Teilhaber, Mathias.«
Er tat einen langen Seufzer.
»Dein Freund«, sagte er bitter. »Aber was kann ich schon gegen einen Florentiner Bankier ausrichten?«
Nun erhob sich Alix und kniete vor dem Altar nieder, um zu beten. Zwar war sie nicht daran gewöhnt, lange Litaneien aufzusagen, murmelte jetzt aber doch einige vor sich hin, um sich zu beruhigen und Mut für den Rest des Gesprächs zu schöpfen.
Als sie zu Mathias zurückging, war er aufgestanden.
»Komm mit«, sagte er nur.
Er führte sie zu einem kleinen Seitenaltar, der dem heiligen Petrus geweiht war. Sie knieten beide nieder und falteten die Hände.
»Hier vor dem heiligen Petrus, hier, wo Florine und Jacquou begraben sind, schwöre ich, dass ich mich nie wieder verheiraten werde. Ich schwöre, dass ich nie wieder eine andere Frau heiraten werde außer dir, Alix.«
»Wer sagt dir denn, dass ich wieder heiraten will, Mathias?«
»Niemand.«
»Ich schwöre, ich werde deinen Sohn großziehen als wäre er der meine«, versprach sie. »Ich will ihn liebevoll umsorgen und verwöhnen und ihm eines Tages den Platz einräumen, den Jacquou seinem Sohn hätte geben wollen. Ich schwöre, dass ich dich immer treu und aufrichtig lieben und dich nie enttäuschen werde, außer durch die Liebe zu diesem Mann, von der du dir ein falsches Bild machst.«
»Willst du mich wieder verlassen?«
Sie zuckte nur hilflos die Schultern.
»Was auch geschieht, Mathias, ich werde immer wieder nach Tours zurückkehren. Hierher gehöre ich mit Leib und Seele. Wenn ich weg bin, dann nur auf Reisen. Ich brauche dich, Mathias. Ich muss wissen, dass du hier bist, wenn ich zurückkomme. Kannst du das verstehen?«
»Dann warte ich also wieder auf dich. Ich werde immer auf dich warten!«
2.
Die Monate nach dem Tod des französischen Thronfolgers waren eine besonders schreckliche Zeit für die arme Königin Anne, die in ihrem Leben schon so viel durchgemacht hatte.
Louise d’Angoulême gewöhnte sich dagegen immer mehr an den Gedanken, eines Tages Königinmutter zu sein. Bis es so weit war, wollte sie so viel Einfluss wie möglich auf ihren Sohn nehmen, was alles andere als einfach schien, weil sein schrecklicher Privatlehrer de Gié ihr dazu kaum noch Gelegenheit ließ.
Heute aber war für sie ein Freudentag, und Louise beschloss, einen Brief an ihre Freundin Alix zu schreiben:
Meine liebe Alix,
Euer letzter Brief war sehr hoffnungsvoll, doch die Königin quälte mich furchtbar mit ihrem Hochmut; das hat ihr ja nun doch kein Glück gebracht. Auch wenn Ihr ein anderes Gefühl hattet, ahnte ich stets, dass sie einen Sohn zur Welt bringen würde – was auch eingetreten ist.
Heute nun sind meine Befürchtungen aber wie weggewischt, und ich bin wieder voller Freude. Der Dauphin ist tot, oje! Ich kann nichts dafür, es ist nun einmal so. Hätte ich den Himmel angefleht, dass dieses Unglück eintritt, wäre ich gewiss nicht erhört worden.
Mein kleiner Cäsar ist also noch immer der Thronfolger. Und die schwächliche Prinzessin Claude steht dem Aufstieg von François vorerst in keiner Weise im Wege.
Ihr wolltet wissen, ob er sich nach wie vor zu solch waghalsigen Abenteuern hinreißen lässt, bei denen er noch gar nicht abschätzen kann, wie gefährlich sie sind. Meine liebe Alix, leider muss ich Euch sagen, dass er sich nicht beherrschen kann, im Gegenteil. Immer hinein und immer als Erster, wenn es um Situationen geht, die so närrisch sind, dass man es sich kaum vorstellen kann. Er reitet immer ungestümer, kühn und ohne Furcht. Bald kann er eine Armee in den Krieg führen. Da bin ich mir ganz sicher –
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