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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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wird er Euch untertan, kann aber vor seinem Volk das Gesicht wahren.“
    „Und so lösen wir zugleich das Problem mit Odo und seinem Herrn, denen sonst die Hinrichtung drohen würde“, fügte Graf Adolf hinzu. „Immerhin haben die beiden mir das Leben gerettet.“
    Lange Zeit stand der Herzog mit gesenktem Kopf da. Als er sich am Ende fasste und den Blick hob, atmeten die Umstehenden erleichtert auf, denn er schien ruhiger.
    „Also gut“, sagte er. „Bringen wir es hinter uns.“
    Er bedeutete Graf Adolf, ihm zu folgen, trat wieder zu Pribislav herüber und setzte zur Rede an.
    „Dies ist die Antwort Heinrichs, von des allmächtigen Gottes Gnaden Herzog von Sachsen. Ich bin nicht gewillt, Niklots Wunsch zu erfüllen und mit meinem Heer abzuziehen, mache ihm jedoch ein anderes Angebot: Ich verlange, dass er sich mit seinem gesamten Volk taufen lässt, Frieden verspricht und das Land den Priestern unseres Glaubens öffnet. Um sicherzustellen, dass die christliche Mission nicht behindert wird, soll er mich als seinen Herrn anerkennen und mir einen jährlichen Tribut entrichten, im Übrigen jedoch Herrscher seines Volkes bleiben und keine fremde Verwaltung dulden müssen. Liefert er außerdem seine Gefangenen lebend und unversehrt aus, so soll der Streit beigelegt sein und mein Heer nach Sachsen zurückkehren.“
    Graf Adolf lauschte ihm aufmerksam, während er an Pribislav gewandt Wort für Wort ins Wendische übertrug.
    Pribislav ließ keine Regung erkennen. Ich rechnete bereits mit einer rüden Ablehnung, dann jedoch sprach Niklots Sohn überraschend ruhig und gefasst. „Ich werde meinem Vater Euer Angebot unterbreiten.“
    Graf Adolf nickte erleichtert und warf mir einen ermutigenden Blick zu.
    „Nein!“, schrie plötzlich eine heisere Stimme. Der greise Erzbischof hatte sich mit zitternden Armen von seinem Schemel hochgestemmt. Erneut sprang sein Diener hinzu, um ihn zu beruhigen und wieder zum Hinsetzen zu nötigen, doch er schüttelte dessen Hände ab.
    „Ich dulde das nicht!“, schrie er mit erstaunlich kräftiger Stimme, als hätte der heilige Zorn ihm Kräfte verliehen, die sein greiser Körper nicht vermuten ließ. „Ihr dürft keine Übereinkunft mit den Heiden treffen, so wenig wie mit dem Teufel selbst! Seine Heiligkeit, der Papst, hat es untersagt!“
    „Ich habe verlangt, dass sie das Christentum annehmen!“, gab Herzog Heinrich ungehalten zurück. „Damit ist Eurer Angelegenheit Genüge getan; alles andere habt Ihr mir zu überlassen!“
    „Das werde ich nicht!“, schrie der Erzbischof außer sich vor Zorn und wankte auf Heinrich zu. „Diesmal nicht! Ihr habt Euch genug Frechheiten gegen die heilige Kirche herausgenommen!“
    „Untersteht Euch, mir zu nahe zu kommen!“, rief Heinrich, trat jedoch unwillkürlich einen Schritt rückwärts.
    „Ja, weicht nur vor mir!“, brüllte sein Gegner. „So gebührt es Euch, Ihr hoffärtiger – grünschnäbliger –“
    Vor Wut gingen ihm die Worte aus, während der Herzog erbleichte und erstmals um eine Widerrede verlegen schien.
    „Und Ihr“, schrie der Kirchenfürst und wandte sich Pribislav zu, „lasst ab, die Herzen dieser Fürsten durch Halbheiten zu verderben, und hebt Euch hinweg in Eure Lasterhöhle!“ Er griff nach dem schweren Kruzifix an seinem Hals, hob es empor und stampfte auf den wendischen Gesandten zu. „Fort mit Euch, Götzendiener!“
    Zwar verstand Pribislav die Worte nicht, doch der Gestus des alten Mannes, dem vor Zorn Speichel von den Lippen spritzte, war unmissverständlich.
    „Kommt!“, rief er, winkte seinen Männern und trat hastig den Rückzug an.
    „Pribislav!“, rief Graf Adolf und wagte es, sich an dem schäumenden Kirchenfürsten vorbei auf die Brücke zu drängen. „Wartet!“
    Doch es war zu spät. Die Männer rannten, wobei sie mich mit sich zogen, und der junge Edle reckte im Laufen einen Arm und gab den Männern auf der Brustwehr ein Zeichen. Knarrend öffnete sich das Tor, und die Gruppe drängte hinein.
    „Unfassbar!“, keuchte Pribislav, als wir wieder im Innern der Burg standen. „Dieser Mann hat mich angegriffen – mich, einen Unterhändler!“ Wütend packte er mich beim Kragen. „Was hat er gesagt? Was waren seine Worte?“
    Ich war allzu erschrocken, um mich darauf besinnen zu können – zu meinem Glück, denn die Beschimpfungen des Erzbischofs hätten Pribislav vermutlich nicht eben milder gestimmt.
    „Na schön“, sagte er wütend, als ich kein Wort hervorbrachte, und stieß

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