Die Tränen der Vila
Dienst für das Kreuz“, erwiderte Graf Adolf. „Vor dieser Pflicht mussten alle anderen Rücksichten zurücktreten. Nun aber lässt mich das Treffen, um das Ihr gebeten habt, auf eine gütliche Einigung hoffen. Sprecht, Pribislav!“
Pribislav nickte und wandte sich dem Herzog zu. „Mein Vater wünscht, dass Ihr die Belagerung abbrecht und in Eure Heimat zurückkehrt. Auf dem Weg dorthin, so verspricht er, wird keines Obodriten Hand sich gegen Euch erheben. Willigt Ihr ein, so ist mein Vater bereit, alle Gefangenen lebend und unversehrt herauszugeben – auch die beiden Edlen, die in unsere Hände fielen.“
Graf Adolf übersetzte halblaut, während Herzog Heinrich ihm das Ohr zuneigte.
„Gefangene von Adel?“, fragte der Herzog ungläubig.
Graf Adolf wandte sich an Pribislav. „Von welchen Gefangenen sprecht Ihr?“
Die Krieger, die mich bislang umringt hatten, öffneten ihren Kreis und drängten mich nach vorn, wo Pribislav mich am Ärmel ergriff und an seine Seite zog.
Ein Raunen lief durch die Reihe der sächsischen Edlen.
„Wer ist das?“, fragte Konrad von Zähringen.
Herzog Heinrich kniff die Augen zusammen, als versuchte er sich vergeblich zu erinnern, ob und woher er mich kannte. Graf Adolf dagegen erkannte mich sofort, wie ich an seinem überraschten Gesichtsausdruck bemerkte.
„Odo!“, rief er und trat unwillkürlich einen Schritt auf mich zu. „Odo von Altendorf!“
Der Herzog runzelte die Stirn. „Wer?“
„Hoheit, es ist der Knappe des Ritters, der mir das Leben rettete!“, sagte Graf Adolf. „Erinnert Ihr Euch nicht? Wir sandten ihn mit einer der Gruppen aus, die Nahrungsmittel beschaffen sollten.“
„Ah!“, machte der Herzog nach einer Pause, als erinnere er sich einer völlig unbedeutenden Begebenheit. „Richtig, der fahrende Ritter aus Franken – wie war noch gleich sein Name?“
„Hartmann von Aslingen“, erwiderte Graf Adolf, ohne sich im Mindesten besinnen zu müssen. „Ist er auch in Eurer Hand?“, wandte er sich an Pribislav.
„Sein Diener soll es selbst bezeugen“, sagte der Angesprochene und packte mich warnend an Arm. „Denk daran, Junge: Gebrauche nur unsere Sprache! Man fragt, wo sich dein Herr befindet.“
„Er sitzt wie ich in der Burg gefangen“, sagte ich auf Wendisch.
Die sächsischen Edlen machten erstaunte Gesichter.
„Der Kerl spricht ja wendisch!“, empörte sich Konrad von Zähringen. „Am Ende handelt es sich um die beiden Überläufer, von deren Gefangennahme die Dänen berichteten!“
„Wir sind keine Überläufer!“, rief ich aus. „Die Dänen griffen uns zufällig in den Wäldern auf und legten uns in Ketten!“
„Aber wie seid Ihr in die Gewalt der Wenden gelangt, Jungherr?“, fragte Graf Adolf.
„Sie machten einen Ausfall“, sagte ich, „und verschleppten uns in die Burg.“
Der Graf schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hätte nicht damit gerechnet, Euch oder Euren Herrn jemals lebendig wiederzusehen. Wie kommt es, dass Ihr das Wendische beherrscht?“
„Als die Dänen uns fanden, wurden wir bereits seit Wochen von wendischen Bauern gefangen gehalten“, versuchte ich in sehr vereinfachter Form zu erklären. „In dieser Zeit habe ich ihre Sprache gelernt, um mich mit ihnen zu verständigen. Aber ich schwöre Euch, dass wir keine Verräter sind!“
Graf Adolf sah mich eine Zeitlang forschend an, dann nickte er.
„Ich glaube Euch, Jungherr.“ Er zögerte, neigte sich vor und fügte noch etwas hinzu, das nur für meine Ohren bestimmt war – wobei er ins Deutsche wechselte, um Pribislav auszuschließen. „Ich habe nicht vergessen, dass ich Euch mein Leben verdanke. Wenn es mir irgend möglich ist, werde ich Euch befreien. Habt keine Furcht!“
Pribislav starrte ihn misstrauisch an, doch der Graf hatte sich bereits umgewandt und trat zu Herzog Heinrich, um ihm zu berichten, was er von mir erfahren hatte. Der Herzog schien nicht sonderlich beeindruckt.
„Sagt mir“, wandte er sich an Pribislav, „warum sollte ich die Belagerung aufgeben, nur um des Lebens zweier Ritter willen, die noch dazu des Verrats verdächtig sind?“
Graf Adolf dolmetschte, und Pribislav antwortete sofort.
„Weil mein Vater andernfalls Befehl geben wird, sie unseren Göttern zu opfern“, sagte er.
Graf Adolf erschrak sichtlich und übersetzte zögernd.
„Nichtswürdiger Heide!“, fluchte einer der sächsischen Ritter. Der Herzog indes schien die Drohung gelassen hinzunehmen, während Graf Adolf erbleicht war.
„Ich
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