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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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bitte Euch“, sagte er zu Pribislav, „überdenkt diesen Entschluss! Es wird keine gütliche Einigung mehr möglich sein, wenn Ihr die Gefangenen tötet.“
    Pribislav schwieg ungerührt.
    „Der Kerl hat nichts zu sagen, was für mich von Interesse wäre“, ließ sich nun der Herzog vernehmen. „Schickt ihn fort!“
    „Wartet!“, bat Graf Adolf. „Wir sollten wenigstens beraten.“
    „Beraten?“, fuhr Heinrich auf. „Was gibt es da noch zu beraten? Dieser Erpressungsversuch ist lächerlich.“
    „Bitte, Eure herzogliche Hoheit!“, rief Graf Adolf.
    Heinrich blickte ihn unwillig an, dann musterte er seine übrigen Ratgeber, die keineswegs so entschlossen wirkten wie er selbst. „Also gut“, sagte er schließlich.
    Die ganze Gruppe zog sich einige Schritte zurück und bildete einen Kreis. Sie waren nicht außer Hörweite, glaubten sich jedoch durch ihre Sprache geschützt, die Pribislav nicht verstand – ich freilich verstand jedes Wort und folgte beklommen dem Disput.
    „Niklot muss verrückt geworden sein“, hörte ich Herzog Heinrich sagen. „Er kann doch nicht im Ernst erwarten, dass ich einen Krieg verloren gebe, nur um das Leben zweier Männer zu retten.“
    „Nein“, räumte Graf Adolf ein. „Aber vielleicht hofft er, dass wir ihm unter den gegebenen Umständen – sagen wir – ein besseres Angebot machen.“
    „Angebot?“, rief der Herzog wütend. „Ich mache diesem wendischen Hund keine Angebote! Er soll die Festung übergeben und sich mir unterwerfen, dann kann alles Weitere verhandelt werden.“
    „Herzogliche Hoheit“, sagte Graf Adolf, „ich weiß, dass Ihr gehofft habt, zwei oder drei rasche Schlachten zu schlagen und Niklot schnell niederzuwerfen. Nun aber liegen die Dinge anders: Wir lagern seit fast zwei Monaten vor dieser Festung, und es sieht nicht so aus, als ob die Wenden hungers sterben oder kleinmütig werden. Unsere Verpflegung dürfte mittlerweile knapper sein als ihre.“
    „Ich könnte gleich morgen befehlen, diese verfluchte Holzburg mit Brandpfeilen zu beschießen und dem Erdboden gleichzumachen“, zischte der Herzog ungehalten.
    „Herzogliche Hoheit!“, sagte Graf Adolf eindringlich. „Ihr wollt diese Menschen beherrschen , nicht ausrotten. Wovon sollen Sie Euch Abgaben zahlen, wenn ihre Bauern tot sind und ihre Felder verödet? Ihr könnt dieses Land zur Wüste machen, aber es liegt wenig Reiz darin, Herr über Sand und Steine zu sein.“
    Der Herzog sah seinen Ratgeber nicht an, sondern starrte zu Boden. Sein Gesicht war puterrot. Den Mienen seiner Ratgeber jedoch war deutlich anzumerken, dass sie dem besonnenen Grafen zustimmten.
    „Es hat etwas für sich, was Graf Adolf sagt“, wagte Konrad von Zähringen als Erster Partei zu ergreifen. „Auch ich denke, dass es an der Zeit für eine Verhandlungslösung ist. Niklot hat das Leben der Gefangenen in die Waagschale geworfen, doch gewiss rechnet er nicht mit unserem Abzug, sondern will lediglich bessere Bedingungen für einen Friedensschluss erreichen. Wenn wir diese Gelegenheit nutzen und ihm ein wenig entgegenkommen …“
    „Ihr dürft keinen Frieden und keine Vereinbarung mit den Heiden schließen!“, empörte sich nun der greise Erzbischof. „Die heilige Kirche verlangt –“
    „Still, Adalbero!“, fuhr Heinrich auf, der ob der Störung plötzlich die Beherrschung verlor.
    Die gesamte Gruppe hielt den Atem an. Gewiss war einem Erzbischof noch niemals die Demütigung widerfahren, mit seinem Vornamen angeredet zu werden. Der alte Mann bot ein Bild fast komischer Bestürzung: Seine gereckten Hände erstarrten in der Luft, seine Lippen öffneten und schlossen sich tonlos, und seine Augen waren groß und rund, als versuchten sie vergeblich, die Ungeheuerlichkeit zu fassen. Einen Moment lang machte er Anstalten, sich von seinem Schemel zu erheben, schwankte jedoch und sank kraftlos in die Arme seines Dieners.
    Der Herzog schenkte dem Schwächeanfall seines greisen Gegners keine Aufmerksamkeit mehr. Stattdessen stand er still da, die Hand auf den Mund gelegt, und knetete sich nachdenklich die Lippen.
    „Was meint Ihr damit, ihm entgegenkommen?“, fragte er Konrad.
    „Ganz einfach“, antwortete dieser. „Ihr könntet Niklot anbieten, auf die Besetzung seines Landes zu verzichten. Er soll die Taufe annehmen und sich Euch unterwerfen, aber Herr seines Volkes bleiben dürfen. Im Gegenzug verlangt Ihr den Treueid von ihm, ein Friedensversprechen – und die Freilassung der Gefangenen. Auf diese Weise

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