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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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servieren. Er brauchte nicht zu fragen; Madame war auch beim Alkohol keine Kostverächterin. »Was führt Sie zu mir? Was kann ich für Sie tun?«
    Ihre weiten Röcke rauschten, als sie sich niedersetzte. Zierlich wie der Porzellanleib einer Teepuppe ragte ihr Oberkörper aus den üppigen Volants. Wie immer war sie makellos geschminkt und frisiert und sah erstaunlich jung aus. Zwei rote Rosen, die nicht aus dem Schminkkästchen stammten, brannten auf ihren Wangen, und sie erzählte hastig, was sie hierhergeführt hatte und was sie von ihm erwartete.
    Van Schujten rieb sich langsam die Hände, mit einer Bewegung, die sein Unbehagen verriet. »Ich zweifle keinen Augenblick an Ihren Worten, chère Madame. Dennoch kann ich nicht so ohne Weiteres aktiv werden. Sie wissen so gut wie ich, dass der Große Herr in Buitenzorg« – ein spöttisches Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er den einheimischen Ausdruck für den Generalgouverneur in seiner Residenz verwendete – »sehr zögerlich handelt, wenn er befürchten muss, es sich mit einem der mächtigen einheimischen Fürsten zu verderben. Und was den Großvater des Herrn Raharjo angeht, so sind wir froh, einen wie ihn auf seinem Posten zu haben, bei dem wir sicher sein können, dass er keinen Ärger macht. Also wollen auch wir ihm keinen Ärger machen. Säße der junge Hitzkopf auf einem einigermaßen bedeutenden Posten, dann sähe es anders aus. Aber vorderhand ist er ein Nichts.«
    »Ein paar Dutzend tote Holländer sind da ganz anderer Meinung«, antwortete sie mit beißendem Spott.
    »Ja, gewiss, gewiss.« Der Kontrolleur fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, das war ihm anzusehen. Er wusste, wozu eine hasserfüllte Frau fähig war, auch ohne dass er Congreves berühmtes Wort kannte: »Die Hölle selbst kann nicht wüten wie eine verschmähte Frau.« Madame schien ganz in der Stimmung zu sein, sich persönlich zum Großen-Herrn-in-Buitenzorg zu begeben und bei ihm Klage zu führen.
    Vorsichtig fragte er: »Wie sind Sie eigentlich zur Kenntnis seiner Untaten gelangt?«
    Sie wich der Falle geschickt aus. »Eine Frau von Welt sieht und hört vieles, Mijnheer Kontrolleur. Die Diener schwätzen, unsere genauso wie die der Einheimischen. Es fällt auf, dass Raharjo häufig mit Zeebrugge gemeinsam gesehen wird.«
    »Zeebrugge!« Der Kontrolleur zog die Nase kraus, als hätte er etwas Widerliches gerochen. »Der verdammte Judas … beschmutzte das eigene Nest … Ich würde ihm nicht mit der Feuerzange die Hand reichen! Andererseits ist es nicht verboten, mit ihm Gesellschaft zu pflegen, wenn jemandem an solcher Gesellschaft gelegen ist. Nein, Madame, Sie müssen mich aus der Sache heraushalten. Ich kann den Lieblingsenkel des Alten nicht in Schwierigkeiten bringen, wenn nicht sehr handfeste Beweise vorliegen.« Er stand auf, um ihr klarzumachen, dass er keinen Schritt weiter nachgeben würde. »Aber sobald Sie etwas wissen, kommen Sie bitte auf der Stelle zu mir.«
    Madame Lafayette erstickte beinahe an ihrer Wut, als sie zu ihrer wartenden Droschke zurückkehrte. Männer!, dachte sie mit überschäumender Verachtung. Alle blähten sie sich auf wie die Ochsenfrösche, alle quakten sie große Töne, aber wenn es darum ging, einem wie Raharjo die Haut abzuziehen, dann kniffen sie den Schwanz ein. Diplomatie, Frieden im Land, unnötige Provokation, keine Beweise …
    Mitten in ihren Gedanken wurde sie von einem Bettler gestört. Es war ein ausgemergelter Greis mit schmutzigem Turban, braun und knorrig, der lächerlich aussah, wie er vor ihr herumhopste und sie winselnd und mit den Händen fuchtelnd auf seine Bedürfnisse aufmerksam zu machen suchte. Der Alte kam ihr gerade recht! Sollte er arbeiten, wenn er essen wollte! Aber die Mohammedaner ermutigten das Geschmeiß noch, indem sie das Almosengeben zu einer der vier Säulen ihres Glaubens ernannten. Schöner Glaube, der Faulheit und Frechheit als Tugend ansah!
    »Verschwinde!«, befahl sie und unterstrich den Befehl damit, dass sie den Sonnenschirm schloss und den Bettler mit der Spitze von sich stieß. Er krächzte schmerzlich, als die Metallspitze seine eingesunkene Brust traf, aber statt die Botschaft zu verstehen und auf der Stelle zu verschwinden, wurde der Alte nur noch aufdringlicher. Ein Strom von heftigen Worten floss über seine Lippen.
    Offensichtlich brauchte er eine Lektion in gutem Benehmen, also drehte Madame Lafayette den Schirm um und versetzte ihm mit dem dicken elfenbeingeschnitzten Griff einen

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