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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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extra darauf hinweisen müssen, dass es so kommen würde; das wusste man als erfahrener Untergebener eines mächtigen Mannes ohnehin. Er begab sich zurück in sein Büro, und dort saß er eine Weile, am Federhalter kauend, am Schreibtisch und überlegte, wie er Herrn Raharjo aus der Welt schaffen könnte.

Zwei Schatzkammern
    Z wei Tage geschah nichts weiter, als dass die Vanderheydens auf das Ergebnis von Dr. Aschers Aktivitäten warteten. Anna Lisa vertrieb sich die Zeit, indem sie Einkaufsausflüge in die Stadt machte. Bei ihrer Rückkehr von einem solchen Ausflug traf sie ihren Gatten dabei an, wie er sich zum Ausgehen bereit machte. Pahti reichte ihm gerade den Zylinder und legte ihm den losen, mit weißer Seide gefütterten Umhang um die Schultern, der bei der herrschenden schwülen Wärme den korrekten Mantel ersetzte.
    »Wo willst du hin?«, fragte sie, überrascht, dass er ihr nichts von seiner Absicht gesagt hatte.
    Er sah ein wenig verlegen aus, als hätte sie ihn bei einer bösen Absicht ertappt. Fast trotzig antwortete er: »Ich habe eine sehr interessante Adresse bekommen … ein einheimischer Fachmann … es heißt, er versteht mehr von javanischer Flora als jeder andere in Batavia … Ich werde bald wieder zurück sein.«
    Plötzlich wallte die Zuneigung zu ihm so heftig in ihr auf, dass sie ausrief: »Aber warum wartest du denn nicht auf mich? Ich will das auch gerne sehen!«
    Simeon schwankte zwischen Verblüffung und Freude. Eben noch hatte er vorgehabt, sich unauffällig davonzuschleichen, während seine Frau mit Einkäufen beschäftigt war – jetzt beharrte sie darauf, ihn zu begleiten! »Wenn es dich interessiert …«, begann er zögernd.
    »Natürlich interessiert es mich. Warte nur fünf Minuten, dann bin ich auch fertig.«
    Begleitet von Fräulein Bertram – die Begleitung durch eine Zofe war eine gesellschaftliche Notwendigkeit, der eine Dame sich auch bei einem eher exzentrischen Unternehmen nicht entziehen konnte – eilte sie die Treppen hinab und fand Simeon, schwer auf seinen Krückstock gestützt, vor dem Hotel wartend. Eine Droschke hielt am Straßenrand. Daneben lehnten zwei kräftige Männer, die offenbar unter dem Befehl des Hoteliers standen, denn dieser war in eine heftige Diskussion mit Simeon verwickelt.
    »Nein, Mijnheer«, hörte sie ihn ausrufen, »ich kann es nicht verantworten! Der schlechte Ruf fiele auf mein Haus zurück … Sie müssen sich einverstanden erklären! Jan und Piet« – dabei wies er auf die beiden sauber gekleideten, aber grimmig blickenden Gesellen – »werden Ihnen ganz sicher nicht im Wege sein, sie werden diskret warten, Mijnheer kann seine Geschäfte ganz ungestört tätigen – aber allein fahren Sie mir nicht in den Glodok! Schon gar nicht mit Ihrer jungen Frau!«
    »Warum? Was sollte mir dort widerfahren?«, fragte Simeon trotzig.
    »Mijnheer wäre nicht der Erste, der von einem vorwitzigen Besuch im Chinesenviertel nicht mehr zurückgekehrt ist«, antwortete der Hotelier mit tiefem Ernst. »Es ist ein verstohlenes Volk, das tausend Geheimnisse hat, und wenn Sie einem dieser Geheimnisse zu nahe kommen …«
    »Oh, dann meinetwegen!« Simeon gab offenbar nur nach, um den lästig besorgten Hotelier loszuwerden. »Ich vertraue mich Ihrem Kutscher und Ihren beiden Kraftlackeln an.« Er ließ sich von Pahti in die offene Droschke helfen – ein mühsames Unterfangen, da ihn nicht nur sein verletztes Bein, sondern zudem seine eingegipste Rechte behinderte. Anna Lisa folgte ihm. Sie hegte leise Bedenken, aber wenn sie jetzt kniff, würde Simeon sie nie wieder einladen, und sie wollte doch an allem Anteil haben, was den geliebten Mann beschäftigte.
    Das Fuhrwerk ratterte los. Der Fahrtwind wehte ihnen um die Ohren, geschwängert von den Düften der Blumen, Früchte und Gewürze, die in diesem Land allgegenwärtig zu sein schienen.
    »Wer ist dieser Fachmann, den wir besuchen?«, fragte sie, um ihr Interesse zu bezeigen.
    »Er heißt Dr. Liao und ist weit über den Glodok hinaus berühmt für seine umfassenden botanischen Kenntnisse, er ist viel mehr als ein einfacher Kräuterhändler – er ist ein Gelehrter in seinem Fach. Ich kann es nicht erwarten, ihn kennenzulernen. Ach, ich wünschte, ich hätte einige meiner Herbarien mitnehmen können – dann müsste er mir glauben, dass ich auch ein wenig von der Sache verstehe!«
    »Das wird er rasch merken, sobald er sich mit dir unterhält.«
    Sie ergriff seine Linke und lehnte sich so

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