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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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ausgeliefert, meinen Sie?«
    »Ja. Nicht ganz zu Unrecht, muss ich mich beeilen zu sagen …«
    Es erforderte noch einige Umwege, aber schließlich erhielt Anna Lisa ein Bild davon, warum Edgar Zeebrugge in der gemeenschap als Judas galt. Er war Kolonialbeamter der holländischen Regierung gewesen, sogar in der recht hohen Stellung des Kontrolleurs. Man hatte ihn eigens beauftragt, gewisse Unterschleife zu untersuchen, bei denen Geld in beträchtlichen Mengen verschwunden war. Aber niemand hatte ihm befohlen, dass er aus dem Ergebnis seiner Nachforschungen einen riesigen öffentlichen Skandal machte! Als er die Bombe platzen ließ, standen mit einem Mal ein Dutzend hochrangiger holländischer Beamter und ihre Freunde unter dem einheimischen Adel am Pranger. Was Zeebrugge ans Licht gebracht hatte, waren nicht nur Diebstähle, Schmiergelder, Erpressung und andere Spielarten unredlichen finanziellen Gewinns gewesen. Damit hätte man leben können. Geld konnte zurückgefordert werden. Man hätte einen tiefen Griff in die Schatzkammern einiger Adhipatis getan und einige Beamte fristlos entlassen, andere auf Posten aus dem Weg geräumt, auf denen sie nichts anstellen konnten.
    Aber Zeebrugge hatte tiefer geschürft. Er hatte nachgewiesen, dass hochrangige Mijnheers bis zum Hals in einem Sumpf aus Korruption, Erpressung, offenem Raub, ja Entführung und Mord steckten. Er hatte mit kriminalistischer Genauigkeit nachgewiesen, wie viel Blut an so manchem Sack Kaffee, so manchem Bündel Zuckerrohr klebte. Und er hatte es unmöglich gemacht, die Verantwortung dafür den Einheimischen zuzuschieben. Wilde Grausamkeit bei einem javanischen Fürsten wäre zwar nicht alltäglich, aber doch auch nicht allzu ungewöhnlich gewesen. Nein, er hatte in einem viele Seiten umfassenden Bericht genau nachgewiesen, welche Mijnheers die Hände im Spiel hatten, als die Plantage eines geschäftlichen Konkurrenten in Flammen aufging, als ein korrekter Beamter nächtens ermordet wurde, nachdem er sich geweigert hatte, seine Unterschrift unter eine gefälschte Bilanz zu setzen, und dergleichen mehr. Und er hatte diesen Bericht nicht, wie es sich gehört hätte, diskret dem Generalgouverneur in Buitenzorg überreicht, damit der ihn in der Schublade verschwinden lassen konnte, sondern ihn publik gemacht. Dazu hatte er sich, feige wie er war, einer Zeitung in dem unter britischer Oberhoheit stehenden Singapur an der Küste Sumatras bedient. Die Engländer, in deren Herzen noch immer der Groll darüber nistete, dass man ihnen das reiche Java aus den Händen gerissen hatte, waren mit Vergnügen dabei gewesen, sich über die Mijnheers zu entrüsten – was außerdem auf recht angenehme Art von ihren eigenen Schändlichkeiten ablenkte.
    »Und Sie wissen«, fuhr Dr. Ascher fort, »das ist, als werfe man einen Sack Federn in den Wind. Wenn sie einmal davongeflogen sind, kann niemand sie mehr einfangen. Der Skandal war entsetzlich. Dem Generalgouverneur blieb nichts anderes übrig, als eine Menge Beamte zu entlassen und einige – die geringeren unter ihnen – sogar ins Gefängnis zu stecken. Die moralische Oberhoheit der Europäer und ihrer christlichen Tugend« – der Jude verzog bei diesem Wort mit leisem Spott die Lippen – »war nachhaltig erschüttert. Man legte Herrn Zeebrugge nahe, so bald wie möglich um Heimaturlaub anzusuchen. Aber – und damit setzte er seiner Frechheit die Krone auf – er beharrte darauf, im Lande zu bleiben. Nur auf seinen Posten verzichtete er … allerdings erst, nachdem er zweimal beinahe das Opfer eines rätselhaften Unfalls geworden wäre.«
    »Man hat versucht, ihn umzubringen? Nur weil er die Wahrheit ans Licht brachte?«
    Dr. Ascher zog die schmalen Schultern hoch und spreizte die Hände. »Wer kann das sagen? Dieses Land ist an und für sich gefährlich. Ich persönlich verlasse Weltevreden nicht gerne, auch wenn ich keine Meuchelmörder zu fürchten habe. Ein Skorpion im Schuh, eine Schlange im Bett, ein paar einheimische Räuber an einer nächtlichen Straße … Die Gefahren sind vielfältig.« Mit einem bedeutungsvollen Blick setzte er hinzu: »Man sollte sie nicht noch durch Unvorsichtigkeit vergrößern.«
    Anna Lisa spürte, wie der Zorn in ihr aufwallte. »Ach! Sie meinen, Simeon und mir könnte auch etwas zustoßen, wenn wir weiter an der Bekanntschaft mit Herrn Zeebrugge festhalten?«
    Wieder ein wortloses Spreizen der zarten, langfingrigen Hände.
    Anna Lisa war wütend, aber sie spürte auch,

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