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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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magische Weise seinem unehelichen Bruder den Platz im Leben gestohlen, der diesem von Rechts wegen zustand. Eine faule Frucht verdrängte den gesunden Apfel von seinem Platz am Baum. Godfrid war Fleisch von seinem Fleisch, ein kluger und tüchtiger Bursche, vor allem aber – und das zählte für den alten Kaufmann am meisten – durch und durch Geschäftsmann.
    Schon als Kind hatte er seine Freude daran gehabt, die ein- und auslaufenden Schiffe zu beobachten. Er hatte rasch ihre Namen gelernt, woher sie kamen und wohin sie Segel setzten, er kannte die Namen der Kapitäne auswendig. Vor allem aber hatte ihn die Fracht interessiert. Bartimäus hatte viele vergnügliche Stunden damit verbracht, mit dem Knaben – der offiziell als sein Mündel, das Kind einer entfernten Verwandten, galt – am Kai zu stehen und ihn zu fragen: Was enthielten die Bündel und Ballen, Säcke und Kisten, die von schwitzenden Schauerleuten von Bord geschleppt wurden? Woher kamen die Waren? Was bezahlte man an der Börse für ein Pfund Kaffee, ein halbes Pfund Pfeffer, einen Sack Zucker? Später hatte er ihn dann an die Börse mitgenommen, wo er mit wachen, intelligenten Augen dem Kaufen und Verkaufen der Aktien folgte. Der Junge bewegte sich in der Welt des Gewürzhandels wie ein Fisch im Wasser. Er hatte daran ein natürliches Interesse und eine natürliche Begabung dafür. Gerade eben zweiundzwanzig Jahre alt, arbeitete er bereits in verantwortlicher Stellung als Buchhalter für seinen Vater. Viel weiter würde er es freilich nie bringen. Bartimäus konnte ihn zum Geschäftsführer und zu einem reichen Mann machen, aber niemals würde er der legitime Erbe des Handelshauses sein. Über seinem ganzen Leben breitete sich der Schatten seiner unehelichen Abkunft – und der noch viel schlimmere Schatten eines üblen Skandals.
    Wenn Flüche wirken konnten, dann hatte der Fluch der betrogenen Mevrouw Beatrix gleich doppelt gewirkt. Bartimäus hatte nicht nur einen Sohn bekommen, mit dem er keine Freude hatte. Er war auch in den Skandal hineingezogen worden, als seine Geliebte in Batavia vor Gericht gezerrt wurde unter der grausigen Anklage, sie habe ihren Gatten vergiftet. Vanderheyden war damals nichts anderes übrig geblieben, als in aller Eile Java zu verlassen, um wenigstens dem Schauplatz des Skandals fern zu sein, aber – oh, die Tücke der Telegrafendrähte, die seit einigen Jahren die halbe Welt miteinander verbanden! Nachrichten huschten wie der Wind zwischen Holland und Ostindien, auf den Flügeln der Telegramme erreichte der Klatsch seine Heimatstadt schneller, als er mit Ross und Wagen davor fliehen konnte. Gut, Delphine war freigesprochen worden, aber was änderte das schon? An Bartimäus Vanderheyden klebte fortan der Verdacht, er sei mit einer Giftmörderin liiert gewesen. Den Sohn dieser Frau als den seinen anzuerkennen, hätte die kaum verschorfte Wunde wieder aufgekratzt. Und was galt ein unehelicher Sohn schon?
    Nein, es war Simeon, der nach Recht und Gesetz die Firma erben und den Namen weitertragen würde. Bartimäus biss die Zähne zusammen. Verfluchtes Schicksal! Da wurde einer mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, war groß, gesund, hinreichend attraktiv, hätte in jungen Jahren der Kompagnon einer mächtigen Handelsgesellschaft für Kaffee und Kakao sein können – und vertrödelte sein Leben damit, dass er botanisierte! Als Schulknaben hatten sie ihn gehänselt, weil er Blumen pflückte wie ein Mädchen, aber sie hatten vergebens gehofft, es würde vorbeigehen, wenn man ihn nur laut genug auslachte. Nichts dergleichen. Jetzt war er zweiundzwanzig Jahre alt, sprach vier Sprachen, las Bücher wie ein Oberlehrer und verbrachte jede freie Minute damit, dass er Blumen sammelte, presste, zerschnitt und in dicken Bänden mit kolorierten Zeichnungen katalogisierte. Ständig musste man hinter ihm her sein, damit er wenigstens seine dringendsten Pflichten erfüllte. Und es sollte sich nur keiner täuschen lassen von seinem sanften Gelispel und seiner geduckten Art! Er war stur wie ein Maulesel. Bartimäus war bald draufgekommen, dass es mehr Kraft und Mühe kostete, den widerspenstigen Sohn bei der Stange zu halten, als die Arbeit jemand anderem zu übertragen. Aber er sollte nicht glauben, dass er ein Leben lang auf Kosten des Vaters Blumen zeichnen konnte. Wenn er schon sonst nichts zustande brachte, sollte er wenigstens reich heiraten.
    Der alte Mann atmete tief durch und schloss die Augen. Er wusste, dass er in

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