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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Gedanken eine schwere Sünde beging, aber immer wieder schlich sich der Dämon an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr, wie schnell ein schwachbrüstiger Europäer dem mörderischen Tropenklima und den ständig grassierenden Fiebern von Batavia zum Opfer fallen mochte.
    Entschlossen schüttelte Bartimäus den Gedanken an Simeon ab und wandte sich dem Buchhalter zu, der in tadelloser Kleidung und Haltung vor ihm stand, jeder Zoll ein holländischer Handelsherr. »Setz dich«, befahl er. »Ich wollte dir nur sagen, es ist alles erledigt. Wir reisen übermorgen nach Hamburg und machen unseren Antrittsbesuch. Im April findet die Hochzeit statt. Danach schicke ich ihn nach Java.«
    Godfrid seufzte und lächelte zugleich. »Als Verwalter der Plantage.« Es brauchte keine Worte, der Spott in seiner Stimme genügte. Beide Männer wussten, dass Simeon niemals zum Verwalter einer Kaffeeplantage taugen würde, selbst wenn er sich Mühe gegeben hätte – was er nicht tat. »Henry Wolkins wird begeistert sein.«
    Henry Wolkins, fast so alt wie Bartimäus selbst, leitete seit zwei Jahrzehnten die Plantage mit kundiger Hand. Ihm war es zu verdanken, dass die Erträge Jahr für Jahr reichlich in die Laderäume der Handelsschiffe flossen. Er war mit den gelegentlichen Angriffen von Aufständischen ebenso fertiggeworden wie mit der Gier der örtlichen Beamten, die beständig die Hand nach Schmiergeldern ausstreckten. Henry Wolkins garantierte, dass der Plantage selbst dann kein Schaden entstehen würde, wenn Simeon dort herumpfuschte; höchstwahrscheinlich würde er aber ohnehin keinen Finger rühren, sondern durch die duftenden Wälder streichen und Orchideen pflücken.
    Godfrid war insgeheim froh, dass er nicht derjenige war, der nach Java geschickt wurde. Er hatte keine hohe Meinung von dem Land, das die Quelle des familiären Reichtums bildete. Die Landschaft mochte wunderschön sein, wenn man den Gemälden und Fotografien Glauben schenkte, aber es war in letzter Zeit ziemlich ungemütlich geworden. Der Schrecken der Niederlage von 1825, als 200000 Gefolgsleute des aufständischen Prinzen Diponegoro ums Leben gekommen waren, begann nach 55 Jahren allmählich zu verblassen. Das geschlagene Volk raffte sich wieder auf. Da und dort gab es lokale Aufstände, Häuser wurden angezündet, Europäer angegriffen, Fuhrwerke überfallen. Das listige braune Geschmeiß flitzte wie Eidechsen aus dem Dschungel heraus, verübte seine Untaten und verschwand wieder. Weder die holländischen Behörden noch die einheimischen Regenten, die diesen Behörden eigentlich zur Seite stehen sollten, wurden ihrer Herr. Für jeden, den die Kolonialherren aufhängten, wuchsen zehn andere nach.
    Nun, es war Simeons Sache, wie er mit der Situation zurechtkam. So schlecht stieg er nicht aus dabei. Für jemand, der rein gar nichts im Leben zustande brachte, war ein Dasein als wohlversorgter Pflanzer auf einer javanischen Plantage immer noch eine sehr gute Option, vor allem, wenn er dabei eine niedliche junge Frau mitnehmen konnte.
    Es war der findige Godfrid gewesen, der den Vorschlag gemacht hatte, Simeon mit der Tochter des deutschen Geschäftsfreundes zu verheiraten. In den Kreisen der holländischen Kaufleute war der Firmenerbe nämlich trotz des dicken Geldsacks, auf dem sein Vater saß, nicht als gute Partie angesehen worden. Seine geschäftliche Unfähigkeit und Gleichgültigkeit waren weithin bekannt, und die Mijnheers wünschten einen Schwiegersohn, der beim Vermehren des familiären Reichtums ordentlich zupacken konnte. Anna Lisa Lobrecht war genau das richtige Mädchen für ihn. Ihr Vater brauchte keinen tüchtigen Schwiegersohn; er hatte selbst drei stramme, fleißige Söhne, die sich auch im Handelshaus Vanderheyden nützlich machen würden. Wenn Bartimäus – so waren die beiden Väter auf Godfrids Rat hin übereingekommen – sich bei der Forderung nach der Mitgift zurückhaltend zeigte, bekamen sie beide zu einem guten Preis, was sie wollten. Die bedeutenden Handelshäuser waren miteinander verbunden, Anna Lisa wurde kostengünstig unter die Haube gebracht, was ja auf jeden Fall einmal geschehen musste, und Simeon verschwand auf unauffällige Weise von der Bühne. Sollte er im Dschungel glücklich werden mit seiner lächerlichen Botanisiertrommel.
    Das war vor allem Bartimäus wichtig gewesen, denn der Kaffeehändler wollte nicht, dass man sich über seinen Taugenichts von einem Sohn in den Kreisen der Kaufmannschaft öffentlich lustig machte.

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