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Die Tränen meines Vaters

Die Tränen meines Vaters

Titel: Die Tränen meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ist ein schokoladenbrauner Ferdinand der Bulle, der ist so kompakt und kurzbeinig. Wenn er dies Spiel allein spielt, ohne Wilma, und er die Figuren wieder aufstellt, droht er ihnen, was er ihnen alles antun wird, wenn sie nicht gehorchen und umfallen.
    Einmal ist Toby zu weit gegangen: er hat eine Treet-Rasierklinge, mit der er normalerweise Figuren aus Pappe ausschneidet, an Donalds langen weißen Hals gedrückt, um ein Geständnis von ihm zu erzwingen, und um zu zeigen, dass er es ernst meinte, hat er stärker gedrückt, als er eigentlich gewollt hatte, sodass jetzt, wenn er Donalds Kopf zurückbiegt, sich ein zweiter Mund in seiner Kehle öffnet, unterdem gelben Schnabel. Diesen Beweis seiner Grausamkeit zu sehen beschämt Toby – jedes Mal, wenn er Donalds Kopf zurückkippt, klafft der Schnitt eine Spur weiter auf –, aber andererseits, er tritt nicht auf Ameisen, wie viele Jungen und sogar Mädchen, die vor den Jungen angeben wollen, und er geht auch nicht an den Stausee zum Angeln und spießt Würmer und Grashüpfer auf Haken. Er versteht nicht, wie man so etwas fertigbringt, derartige Quälereien.

    Nach Pearl Harbor sind die Vereinigten Staaten im Krieg, und Gewalt herrscht in der Welt. Es gibt Als-ob-Luftangriffe in der Stadt. Sie müssen alle Lampen ausmachen und setzen sich, er, Mutter, Großvater und Großmutter, auf den fensterlosen Treppenabsatz, der ihm ohnehin immer ein bisschen Angst gemacht hat. Daddy ist draußen im Dunkel mit einer Taschenlampe, er ist Luftschutzwart. Während sie da auf den Stufen sitzen und versuchen, nicht zu atmen, fliegt ein Flugzeug hoch über ihrem Dach. Toby weiß, dass es eine Bombe abwerfen und sie alle auslöschen wird. Das ist ein neues Wort in der Zeitung, «auslöschen», zusammen mit «Blitzkrieg» und «bedingungslose Kapitulation». Unglaublich, in England und in China sind Kinder unter den Ausgelöschten. Das Sägezahnbrummen des Flugzeugs entfernt sich allmählich. Tobys Leben geht weiter. Anderswo sterben Millionen.
    Wenn er von einer Blechbüchse die Papieraufkleber abreißt und den Deckel und den Boden entfernt und sie zusammenbiegt und auf dem Zementboden des Hühnerhauses auf den blanken Zylinder springt, um ihn platt zu machen, ist es, als springe er einem Jap oder einem Kraut aufs Gesicht. Der Staub von Hühnermist steigt bei jedem Sprung vomZement auf. Mutter versteht nichts vom Kämpfen – dass es manchmal sein muss. Auf dem Weg zurück vom Unterricht in der vierten Klasse hacken die Jungen aus der fünften Klasse auf Toby herum, weil er immer noch Knickerbocker trägt oder sein Vater Lehrer ist oder er in einem großen weißen Haus wohnt oder sich im Unterricht zu oft meldet. Sie wissen das, obwohl sie nicht in seine Klasse gehen; er hat einfach das aufreizende Etwas eines Jungen, der zu viel weiß. Die Jungen verspotten ihn: «Du hältst dich für was Besonderes», wo er doch nichts so sehr will, wie dazuzugehören, ein ganz gewöhnlicher Junge zu sein.
    Jungen aus der gewöhnlichen Welt fallen immer wieder über ihn her. Einmal haben Ricky Seitz aus der fünften Klasse und Toby auf dem unkrautbewachsenen Asphalt bei der Laderampe von Acme einen Ringkampf bis zu einer Art Unentschieden ausgetragen, nur dass Toby unten lag und mit einer blutigen Nase aufstand. Als er zur Haustür hereinkam, sah seine Mutter die blutige Nase und war eine Minute später am Telephon – rief erst die Seitzens an und dann den Rektor der Grundschule. Das Telephon steht neben dem Philco-Radio auf einem kleinen Tisch wie eine dickstängelige schwarze Narzisse aus Bakelit.
    Eine Intervention seiner Mutter, die noch demütigender war, hat sich auf dem Softballfeld abgespielt. Bis zum Feld sind es zwei Minuten zu Fuß, vom unteren Ende seines Grundstücks durch den schmalen Gang zwischen dem Hühnerhaus und der leeren Garage über die Alley und an einer kleinen Maisanpflanzung vorbei. Mutter beschwert sich, dass der schmale Durchgang hinten im Garten nach Urin riecht, und hat die Männer im Haus, einschließlich Toby, im Verdacht. Es macht sie wild, wenn sie nur daran denkt.«Wozu gibt es Toiletten im Haus?», fragt sie und wird wutrot im Gesicht. Trotzdem macht Toby es immer wieder. Allein in diesem Durchgang zwischen den zwei Wänden zu sein, den Asbestschindeln des Hühnerhauses und der Bretterverschalung der alten Garage mit der abblätternden roten Farbe, weckt in ihm das Bedürfnis, Pipi zu machen.
    Daddy nimmt diesen Weg zur Highschool jeden Tag, in Jackett und mit

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