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Die Tränen meines Vaters

Die Tränen meines Vaters

Titel: Die Tränen meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Krawatte, geht an den summenden Japankäferfallen vorbei, hinunter zwischen dem Rasen und dem Spargelbeet und hinaus durch die untere Hecke. Mutter kommt fast nie hier unten hin. Sie meidet das Schulgelände; das ist mit ein Grund, warum das, was passierte, so fürchterlich war. Warren Frye war in die Sache verwickelt – Warren Frye mit dem blutenden Kopf, der nie mehr zum Haus kam und wahrscheinlich etwas dagegen hatte, dass Toby sich hier auf dem unteren Terrain der Alley blicken ließ, wo Warren in einer engen Reihe mit Asphaltschindeln verkleideter Häuser lebt. Hinter dem Fangzaun des Softballspiels – kein Schulspiel, ein Ligaspiel, an einem Samstag, mit Spielern, die die Highschool hinter sich hatten, und älteren Zuschauern – schubste Warren Toby, und Toby schubste zurück, und nicht lange, und sie balgten sich im Schmutz, vor einer umstehenden kleinen Menge, zu der Daddy gehörte.
    Daddy stand einfach da, er hatte die Hemdärmel aufgekrempelt, trug den gekämmten Kopf hoch und wollte seine Sorgen vergessen und das Spiel sehen, zu den andern gehören. Weil er die ganze Woche in der Schule unterrichtete, fand er es jetzt vielleicht angenehm, nicht für Disziplin sorgen zu müssen, der Natur ihren Lauf zu lassen und den Kampf des Jungen vor ihm und die Menge um ihn zu ignorieren, die zusah und anfing, laut Partei zu ergreifen. Tobygeriet leicht ins Hintertreffen bei der Rauferei – Warren hatte an Größe zugelegt, aber vor allem an Breite –, und Tränen der Wut schossen Toby in die Augen, als seine Mutter erschien.
    Sie war auf einmal da, seine große junge Mutter, packte Warren an den Haaren und schlug ihm ins Gesicht, ein Knall, so scharf, wie wenn ein Baseball getroffen wird. Dann wirbelte sie ohne das leiseste Zögern, Toby fest an der Hand haltend, herum, holte mit der gleichen verblüffenden Treffsicherheit aus und schlug Daddy ins Gesicht, dafür, dass er nur dagestanden und der Natur ihren Lauf gelassen hatte.
    Sie zerrte Toby nach Hause. Er war geblendet von seinen Tränen und blubberte Proteste hervor, während der Teil seines Gehirns, der nicht in Scham aufgelöst war, herauszufinden versuchte, wie sie wissen konnte, dass sie kommen musste. Sie muss im Garten Lärm von einer Menschenansammlung gehört und dann über die untere Hecke hinweg ihn und Warren gesehen haben, wie sie im Dreck miteinander rauften. Warum, fragt Toby sich im Mittelpunkt dieser Szene (das Softballfeld bleibt hinter ihnen zurück, das weiße Haus, die Seitenveranda, die Weinlaube kommen näher, das fedrige Spargelkraut links von ihnen schießt schon in Samen, seine Tränen verzerren alles, wie Blasen in Fensterscheiben), muss er derjenige sein, der mit einer Mutter so nah am Schulgelände wohnt, einer Mutter, die so magisch und hitzig ist und so wenig bereit, der Natur ihren Lauf zu lassen? Sein Arm fühlt sich an, als sei er ausgekugelt. Er beginnt, sich damit abzufinden, dass er mit einer solchen Mutter nie ein ganz gewöhnlicher Junge sein kann.

Die Erscheinung
    Ihr Erscheinen erschreckte Milford, als sie auf der Hoteltreppe seine Frau anhielt, um sie etwas zu fragen. Etwas Heißes, Dringliches, fast Atemloses lag in der Frage: «Waren Sie schon beim Friseur?»
    «Nein, noch nicht», antwortete Jean, verblüfft, so unvermittelt angesprochen zu werden, aber weil sie alle zu der dreißigköpfigen Gruppe gehörten, die eine vom Museum gesponserte Reise zu den Tempeln im Süden Indiens machte, waren sie theoretisch alle Gefährten im Abenteuer. Sie waren erst am Anfang der Tour, und die Milfords hatten sich noch kein klares Bild von den anderen Paaren machen können, aber diese Frau auf der Treppe erkannte er wieder: sie gehörte zu einem bebrillten scharfnasigen kleinen Mann in blauem Blazer, mit dem sie sich auf der am Swimmingpool stattfindenden Cocktailparty, bei der sie sich alle kennenlernen sollten, ein wenig scheu im Hintergrund gehalten hatte. Anfang vierzig, nach Milfords Schätzung, gehörten sie zu den Jüngsten der Gruppe, wohingegen die Milfords mit Anfang siebzig unter den Ältesten waren. Aber Altersunterschiede, ebenso wie Vermögens- und Klassenunterschiede, wurden bedeutungslos angesichts der auf sie eindringenden Präsenz des fremdenSubkontinents rings um sie her. «Wie war sie?», fragte Jean, ihre übliche Reserviertheit aufgebend. Milford hatte oft beobachtet, dass es eine hitzige Kameraderie unter Frauen gab, wenn es um technische Fragen der Schönheit ging. Er sah die beiden schon gleichsam als

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