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Die Tränen meines Vaters

Die Tränen meines Vaters

Titel: Die Tränen meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Schürze, die sie immer trägt, und ihrem schrecklichen Kropf – herauskommen, wenn er gerade den Ball holen will, und ihn packen und ordentlich durchschütteln, und dann sperren sie ihn in ihren Keller, zwischen die spinnwebigen Borde mit eingemachtem, aus den Gläsern starrendem Obst, und zu den Skeletten anderer gefangener Kinder. Er hat mitbekommen, dass die Eichelbergers sich schon bei Großvater beschwert haben über den Lärm, den die Kinder machen, wenn sie gerade ihren Mittagsschlaf halten wollen.
    Und doch, sicher in seinem Haus, seines Großvaters Haus, sieht Toby aus einem der wenigen Fenster in den Seitengarten und hat Mitleid mit ihm, er sieht so unbenutzt und unbesucht aus. Er ist so regungslos wie das krötenlose Terrarium in der Grundschule. Er quillt über von dem erwachsenen Kummer, den Toby hinter sich, in seiner Familie spürt.
    Was ist der Grund für den Kummer? Geld, nimmt Toby an. Sie geben nie welches aus, ohne dass Daddy sich Sorgen macht. Wenn der Kohlenwagen kommt und rückwärtsüber den Bordstein fährt, auf dicken Holzdreiecken, die extra für diesen Zweck da sind, und die langen Schütten, blank poliert vom rutschenden Anthrazit, ausgezogen werden aus dem Lastwagen in das kleine Kellerfenster unter der Vorderveranda und das ganze Haus zittert und vom Getöse erfüllt wird, wenn die Kohle in den Verschlag hinunterdonnert, empfindet Toby das Wunder all der Anordnungen der Welt für sein Glück, Daddy dagegen fühlt Geld weggleiten. Er ist für gewöhnlich bei der Arbeit, unterrichtet widerspenstige Schüler, aber wenn er zu Hause ist, sieht er besorgt aus und ringt die Hände auf eine Weise, die Mutter «weibisch» nennt. Es sind Männerhände, eckig und mit knotigen Warzen gesprenkelt, aber es ist wahr, sie machen scheuernde, wringende Bewegungen, wie Frauen bei der Hausarbeit, während Daddy versucht, seine Sorgen wegzuwischen. Manchmal sagt er von sich, dass er eine «Heiden angst » hat und den «Blues». Er nennt Toby «Jung Amerika», und wenn Toby sich langweilt oder nörgelig ist, verkündet er einer ungesehenen Hörerschaft: «Den Jungen plagt die schwarze Galle.»
    Die Traurigkeit häuft sich im hinteren Teil des Hauses, in der Küche, am weitesten von der Straße und ihrem täglichen Verkehr entfernt. Der Linoleumboden, sein Muster abgenutzt, wo sie am meisten gehen, und der alte Spülstein aus Schiefer, der nach Brunnenwasser riecht, die langhalsigen Kupferhähne, die grün werden, und das Wachstuch auf dem kleinen Tisch, dessen Ecke sich ihm in den Magen bohrt und an dem sie mit Messern und Gabeln mit Griffen aus Bein essen – alles sieht müde und altmodisch aus, verglichen mit den Küchen, die einige seiner Spielgefährten haben. Nicht Wilma Dobrinskis Leute, aber die Nagel-Zwillingedrei Türen weiter oben und einige der Häuser auf der anderen Seite der Straße, die höher stehen als die Häuser auf dieser Seite, oberhalb von Böschungsmauern und Zementtreppen, die so lang sind, dass der Postbote eine Abkürzung an den Veranden entlang nimmt, indem er über die niedrigen Hecken steigt – diese gewöhnlichen Häuser haben surrende elektrische Kühlschränke statt Eiskästen, aus denen Wasser in ein Blechtablett tröpfelt, und Toaster, die man in die Steckdose stöpselt und die den Toast hochspringen lassen, statt dass der Apparat einfach auf einem unangenehm riechenden alten Gasherd steht, auf dem schmutzigen Brenner mit seinen kleinen violetten Flammen wie Hundezitzen.
    Und zu Weihnachten zeigen manche Wohnzimmer, in die auf dem Bürgersteig vorbeigehende Leute hineinsehen können, in ihren Fenstern – wie Bilder in einem Magazin – langnadelige Tannenbäume, die mit einem Lamettasilberregen überschüttet sind und so dicht, wie Stechpalmen mit roten Beeren besetzt sind, dünnhäutigen hohlen, mit Glitter gesprenkelten Schmuck tragen. Mutter mag den Baum am liebsten natürlich, und ihr Schmuck, so simpel wie die Glaseier, die ein Huhn zum Legen überlisten sollen, wird in ein paar Schachteln auf dem Dachboden verwahrt, wo jedes Stück zum Schutz ein Nest aus Seidenpapier hat und in seinem eigenen kleinen Pappschachtelquadrat hockt. Die Nagel-Zwillinge sagen, ihr Onkel in Alton kauft jedes Jahr neuen Baumschmuck, alles in Blau oder in Rot oder zu einem «Thema», wie ein Kaufhaus. Toby möchte das nicht; er möchte einfach nur ganz normal sein und normal viel Geld haben.

    Toby ist nicht immer gut. Er ist schüchtern und hält sich an die Regeln, hegt aber Dunkles in

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