Die Tränen meines Vaters
Warren Frye, bis der dann nie mehr kommt, und ein paar andere aus der Nachbarschaft, hauptsächlich Mädchen, manchmal zum Spielen in den hinteren Garten, klettern auf die Bäume oder schaukeln auf der Schaukel, die Großvater an einem unteren Ast des Walnussbaums befestigt hat, als Toby kleinerwar. Die Schaukel wird rasch langweilig, die Seile sind für ihn jetzt babyhaft kurz, aber es gibt viele Bäume – die Pfirsichbäume mit ihren langen, spitz zulaufenden, tief gefurchten Blättern, die schiefen Kirschbäume mit ihrer geringelten Rinde, wie Stapel dunkler Münzen, und die Ahorne, deren geflügelte Samen man zerteilen und sich auf die Nase setzen kann, und der Walnussbaum, dessen unterster Ast blank ist vom vielen Draufklettern. Von Baum zu Baum rasen die Kinder, schrill schreiend bei ihrer Art von Baseball und Dodgeball, und der, der den Ball hat, schreit: «Eis!», dann müssen alle stehen bleiben, auch wenn sie nur ein Bein auf dem Boden haben und kaum das Gleichgewicht halten können.
In seinem Element, stolz, führt Toby sie zum Vogelbad aus Stein, das auf seinem Sockel ein bisschen wackelt und etwas Wasser auf die Schuhe der Mädchen spritzt, und zu den Japankäferfallen in der Weinlaube, in denen es laut summt vom zornigen Sterben der Käfer, und zum breiten Maiglöckchenbeet, wo es gegen die Regeln verstößt, nach einem verlorenen Ball zu suchen, aber was sonst sollen sie tun, als auf Zehenspitzen zu trippeln und so wenig Blumen wie möglich bei ihrer Suche platt zu treten?
Dieses Maiglöckchenbeet duftet betäubend, wenn die kleinen weißen Glocken an ihren gebogenen Stängeln aufblühen. Einmal hat Toby am Beetrand gestanden und mit seiner Zunge und seinen Fingern hartnäckig einem lockeren Schneidezahn zugesetzt, bis er ihn endlich heraushatte, mit einem bisschen Blut an der gummiartigen Wurzel. Er hat ihn ins Haus gebracht, um sich von den Erwachsenen loben zu lassen dafür, dass er immer größer wird. Er möchte sie aufheitern. Sie dünsten einen Geruch aus, als hätten sie solange gelebt, dass sie da, wo sie sind, für alle Zeit festsitzen, wie mit einer Krankheit, an der er sich nicht anstecken will. Seine Mutter ist nicht erfreut über den Zahn, sie macht sich Sorgen, dass, weil er ihn gewaltsam herausgeholt hat, der nächste schief wachsen wird. Sie hat ihm erklärt, dass die Zähne, die er jetzt hat, Milchzähne seien und dass stärkere, größere Zähne nachkommen würden, wenn die Milchzähne ausfielen. Dies Wissen hing über ihm, als er dastand und an seinem Zahn wackelte, und trug zu dem Druck bei, der unsichtbar über der Stadt hängt, besonders über dem unbebauten Grundstück auf der andern Seite der Alley.
Der Kummer der Erwachsenen, den er um sich fühlt, ist am undurchdringlichsten im kleineren Seitengarten, dem vernachlässigten auf der Seite der Eichelbergers. Die Häuser werfen einen beständigen Schatten auf den Zwischenraum zwischen ihnen, und grünes Moos wächst im Dämmer unter den Hortensienbüschen. Diese Büsche bringen Blüten hervor, groß wie der Kopf eines Menschen, sind aber fast das einzig Blühende hier, im Gegensatz zur anderen, zur sonnigen Seite. Auf dieser schattigen Seite (der Rasen leicht schwammig unter den Füßen) ist die Stille von Dingen, über die Toby nicht gern nachdenkt – Kirche, tiefer Wald und Friedhöfe, wo eine einzelne Topfpflanze zum Andenken an jemanden hingestellt worden ist, aber, selber vergessen, vor langer Zeit vertrocknet und gestorben ist. Das Haus der Eichelbergers ragt bedrohlich nah auf, und Toby hat Angst, dass Mr. Eichelberger sich mal aus irgendeinem Grund auf ihn stürzt, aber der gebückte, gedrungene alte Mann in seiner ausgebeulten grauen Strickjacke mit den grauen Perlmuttknöpfen lächelt bei den seltenen Gelegenheiten, wennseine und Tobys Blicke sich über die Grundstücksgrenze hinweg treffen.
Ganz allein auf dieser Seite des Hauses fürchtet Toby sich mehr, als wenn er anderswo im Garten allein ist. Das Haus hat auf dieser Seite weniger Fenster, und so ist die Möglichkeit geringer, dass Mutter oder Großmutter einen Blick hinauswerfen, um sich zu vergewissern, dass er in Sicherheit ist. Er könnte beinah ebenso gut auf dem Mond sein. Obwohl es hier einen langen leeren Platz gibt, wo man Ballfangen spielen kann, bleiben er und Wilma nie lange dabei. Wenn der Ball in die Päonien der Eichelbergers dicht bei ihrem Haus fliegt, könnten die beiden – Mr. in seinem schmierigen grauen Hut und dann Mrs. mit der
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