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Die Tränen meines Vaters

Die Tränen meines Vaters

Titel: Die Tränen meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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diese flimmernden Nachmittage am Strand in den sonnenverliebten, vergnügungssüchtigen Sechzigern! Die Leute benutzten damals Babyöl und Bain de Soleil statt der nach ihrem Lichtschutzfaktor bewerteten Lotionen. Tracys nackte Füße mit den langen Zehen neben Fleischers benommenem Gesicht hatten bronzefarbene Riste und blasse Sohlen und kirschrote Nägel, und er wollte diese Füße ablecken, jeden Quadratzentimeter, trotz des Skandals, den es verursacht hätte, und trotz der Sandkörner, die ihm an der Zunge kleben geblieben wären.
    Geoffrey, zweiundvierzig und keine neun zu der Zeit, als seine Eltern sich scheiden ließen, lebte allein in seinem Bostoner Apartment, in das nur dann Unordnung kam, wenn seine halbwüchsigen Söhne ihn besuchten. Eileen, ihre Mutter, wohnte ein paar Meilen entfernt, in Brighton. Sie hatten sich vor drei Jahren, nach vielen Eheberatungssitzungen, aber ohne wahrnehmbare juristische Schritte zu unternehmen, getrennt. Fleischer hatte seinen Sohn oft fragen wollen, warum es nicht zur Scheidung kam, aber er fürchtete, von Geoffrey die Antwort zu bekommen, dass das impulsive Verhalten seines Vaters ihm ein warnendes Beispiel sei. In FleischersAugen hatte es damals so ausgesehen, dass er Tracy einen Gefallen tue, als das Ausmaß ihrer Seitensprünge – Skilehrer, ortsansässige Arbeiter – offenkundig geworden war: sie sollte frei sein und sich einen neuen Ehemann suchen können. Rücksichtsvolle Erwägungen dieser Art bedrängten Geoffrey allem Anschein nach nicht, obgleich Eileen jünger war als er und noch immer schön. Er hatte es, wie viele seiner Generation, nicht eilig gehabt mit dem Heiraten, war fast dreißig gewesen. Die Braut war zweiundzwanzig, mit rabenschwarzem Haar, nervös, aber betont zurückhaltend, und bei der Hochzeitszeremonie makellos und aufsehenerregend mit ihrer porzellanweißen Haut. Ihre dunklen Augen und die dichten Wimpern waren wie glimmende Schatten durch den Schleier zu sehen gewesen. Der Schwiegervater hatte vor Stolz gestrahlt, sich, wie über eine unerwartete Erbschaft, gefreut über die Gene, die sie in die Familie brachte. Die Fleischers waren seit Generationen, zurück bis zu den germanischen Jägern und Sammlern, eine ungehobelte, knorrige, raue, rotgesichtige Sippe gewesen; Fritz hätte wetten können, dass er nicht der erste Psoriatiker war. Jetzt zeigten sich bei Eileens älterem Sohn Jonathan die Feinheit und Präzision ihrer Züge, was bei einem dreizehnjährigen langen schlanken Kerl von blendender verwegener Wirkung war. Bei seinem jüngeren, blonderen Bruder Martin verbanden diese Eigenschaften sich mit des Vaters ruhiger Besonnenheit zu einem sanfteren, engelhafteren Aussehen. Fritz versuchte, seine großväterliche Pflicht zu erfüllen, indem er seinen Sohn an den Wochenenden besuchte, an denen die Jungen bei ihm waren.
    «Was macht die Schule?», pflegte er zu fragen.
    «Okay», sagte Martin dann.
    «Denkst du», sagte Jonathan.
    Martins Schweigen hatte die unschuldige Lauterkeit dessen, dem schlicht nichts mehr einfällt, was er sagen könnte, aber Jonathan hatte eine Art, absichtlich nichts sagen zu wollen. Er wandte nicht einmal für eine Sekunde den Kopf, um die Anwesenheit seines Großvaters zur Kenntnis zu nehmen, konzentrierte sich stattdessen aufs Fernsehprogramm oder ein Science-Fiction-Buch oder eine Zeichnung (er war künstlerisch begabt), irgendetwas, das ihn gerade in Anspruch nahm. Fleischer erinnerte sich sehr gut an das intensive Bedürfnis, sich mit seinem Comicbuch zu beschäftigen, mit dem Modellflugzeug, der Briefmarkensammlung – tief einzutauchen in die Miniaturwelt, in der man als Kind sicher war vor der größeren, erwachsenen, der eigenen Kontrolle entzogenen Welt –, aber es war schwer für ihn, seine Empathie mitzuteilen. Sogar Jonathans blauschwarzes Haar, mit Gel zurückgebürstet und exzentrisch in der Mitte gescheitelt, dünstete ein Verlangen aus, alles von sich abzuwehren. Er und sein jüngerer Bruder ertrugen die elterliche Trennung, die ihnen endlos erscheinen musste, eine Art Krankheit, die ihre Adoleszenz auffraß, und sie hatten den Verdacht, dass ihr Großvater und seine obskuren Sünden hinter alldem steckten. Vielleicht fühlte der Junge sich als Beschützer seiner Mutter, der er so frappierend ähnlich sah; er fürchtete, dass jede kleine Freundlichkeit gegenüber seinem Großvater zu einer Invasion führen könnte und zum Verrat an der großen Hälfte seines Lebens, in der sie regierte. So

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