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Die Tränen meines Vaters

Die Tränen meines Vaters

Titel: Die Tränen meines Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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einen regelmäßigen Rückschnitt, und ihre unteren Zweige müssen angehoben werden, wenn Mutter, rot im Gesicht und fast wütend, den Rasenmäher mit seinem lauten Schermesser drunterschiebt, um an das versteckte Gras zu kommen, das dort wächst. Sie nennt das «die Röcke der Büsche hochheben», was ein bisschen unanständig klingt und trotzdem keinen Spaß macht. Toby soll ihr helfen, sie ruft ihn heraus, fort von seinen Spielsachen und seinen Kinderbüchern und dem Vor-sich-selbst-so-Tun, als sei er ein anderer. Die harten Zweige stoßen ihm in die Arme und ins Gesicht, und manche haben kleine Dornen, die kratzen, mit Absicht, so kommt es ihm vor. Wenn er nicht aufpasst, könnte er ein Auge verlieren. Seine Mutter kümmert so etwas nicht; sie arbeitet immer in Hosen mit matschfleckigen Knien im Garten. Sie gefällt Toby besser, wenn sie mit der Straßenbahn in die Stadt will und sich ihren braunen Rock anzieht und einen Mantel und sich schräg einen kleinen Hut aufsetzt und nicht die Alley nimmt, sondern auf der Straße vorn vor dem Haus geht, auf dem Gehsteig unter den Kastanienbäumen zur Avenue, wo die Straßenbahn fährt.

    Auf der anderen Seite der Alley ist das unbebaute Grundstück, wo die größeren Kinder im Sommer lärmende Spiele spielen, mit viel Geschrei und Getobe, und ins Gras fallen, Gras, so hoch, dass es oben in Samen schießt und unten immer feucht ist von Tau. Hinter diesem struppigen Grundstück reiht sich ein Haus ans andere, bis zu einer Farm miteinem Schweinestall, der fürchterlich stinkt. Manche der Häuser stehen nicht direkt am Gehweg, sind ein Stück zurückversetzt, wie Tobys Haus – «fern von Gefahr», sagt Großvater gern, auf dem Sofa sitzend und seine Zigarre zwischen den Fingern drehend und dies füchsische, listige Gesicht machend, das Mutter so ärgert. Sie sagt, er darf seine Zigarren nur draußen rauchen. Die meisten Häuser an der Straße haben nur ein kleines Stück Rasen vor ihren Veranden, und viele sind in Wirklichkeit zwei Häuser mit zwei Hausnummern und zwei verschiedenfarbigen Anstrichen, und in der Mitte stoßen sie aneinander, sodass jedes Haus nur an drei Seiten Fenster hat, anders als das hübsche langgestreckte weiße Haus, in dem Toby wohnt.
    Der andere Seitengarten grenzt an das Grundstück der Eichelbergers, eines älteren Ehepaars. Mr. Eichelberger trägt immer einen zerknitterten grauen Hut, und Mrs. hat einen Kropf, der ihr unterm Kinn hängt. Toby findet ihren schmalen düsteren Hof gruselig und mag ihn nicht einmal aus dem Fenster sehen. Es kommt ihm so vor, als ob Mr. und Mrs. Eichelberger immer zusammen herumschleichen, miteinander flüstern, etwas ausschnüffeln wollen. Mutter sagt, ihre Tragödie sei, dass sie nie Kinder hatten. Toby ist ein Einzelkind und seine Mutter auch, die Chance, dass er es ins Leben geschafft hat, hätte nicht winziger sein können.
    Die Leute sagen, sein Haus sei weiß, aber in Wahrheit ist es gelblich – «cremefarben», hat er seine Mutter sagen hören. Cremefarben, mit grünem Holzwerk, einschließlich der Fenster. Als er in der Grundschule mit Buntstift ein Bild vom Haus, in dem er lebt, malte, hat er entdeckt, das Grün und Gelb auf eine Weise zusammengehen, wie manche Farben es nicht tun. Schwarz und Orange passen auch zusammen,bei Halloween zum Beispiel, und Lila und Gold zu Ostern und Rot und Grün zu Weihnachten. Rot, Weiß und Blau zusammen in der amerikanischen Fahne sind wie drei Töne auf einer Messingtrompete. Solche Harmonien zu entdecken begeistert ihn, mehr als andere Kinder.
    Seine Spielkameraden, wenn er gerade welche hat, kommen von der Alley aus zu ihm durch den Seitengarten auf dem kleinen Klinkerweg, der am Stiefmütterchenbeet vorbei von der Lücke in der Hecke hereinführt. Die Lücke hat früher eine schwere grüngestrichene Pforte gehabt, die quietschte und knirschte, bis Großvater sie schließlich den Schrottsammlern für den Krieg gab. Sie sei sowieso von Rost zerfressen, sagte er, und er sei es leid, sie immer wieder zu streichen. Wilma Dobrinski, die eine Klasse über Toby ist und ohnehin groß für ihr Alter, späht in die Lücke in der Hecke, um zu sehen, ob er im Garten ist oder auf der Veranda, damit sie nicht an die Seitentür klopfen muss und an Großmutter in der Küche gerät. Großmutter gibt ihr das Gefühl, unwillkommen zu sein. Aber Wilma ist die beste Freundin, die er hat. Die einzige Freundin wäre richtiger. Sie ist mit all seinen Vorschlägen für Spiele und Aktivitäten

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