Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
abhalten soll?« antwortete Jordan sofort in die plötzliche Stille hinein. »Ihr. Ihr alle! Glaubt ihr, die Menschen von Great Newport würden sich das bieten lassen, nach allem, was sie durchgemacht haben? Selbst wenn ihr mir nicht vertraut, setzt eure Mitbürger nicht herab. Von nun an wird jeder, der für euch arbeitet, auch euch gegenüber Rechenschaft ablegen müssen.«
Mit seinen leidenschaftlichen Worten traf er den richtigen Ton. Die Menge spürte, dass er es ernst meinte, und begeisterte Zustimmung machte sich auf dem gesamten Platz breit. Kurz darauf stieg Jordan herunter und scharte Freiwillige um sich, um die Umsetzung seiner Vorhaben sofort in die Wege zu leiten.
In dem Gedränge kamen Gemma und Arden nicht an ihn heran, daher bahnten sie sich alleine ihren Weg vom Platz.
»Er hat nichts über das Lichtlose Königreich erwähnt - oder den Tiefen Süden«, meinte Gemma nachdenklich.
»Er wird es ihnen sagen, wenn sie soweit sind«, hielt Arden dagegen. »Heute hätte es die Angelegenheit nur kompliziert. Er kann nichts tun, bevor er die Leute hier nicht auf seiner Seite hat.«
»Du hast recht«, gab sie zu, »trotzdem werden sie es früher oder später erfahren müssen. Der ganze Wiederaufbau wird ihnen nichts nützen, wenn ...« Ihre Stimme verhallte. Sie war nicht bereit, ihre düsteren Vorahnungen jemandem mitzuteilen.
6. KAPITEL
Für jeden in Great Newport vergingen die nächsten drei Monate in hektischem Treiben. Misstrauen und Hass wurde nach und nach überwunden, als immer mehr Bürger den Nutzen der Führerschaft des Untergrunds erkannten. Und da dieser Nutzen zunehmend offenkundig wurde, gewannen die Schwächeren unter ihnen an Kraft, nachdem man sie durch Zusammenarbeit und Vertrauen unterstützt hatte. Die Zuversicht wuchs und damit auch die Bereitschaft, freiwillig seine Hilfe bei verschiedenen Projekten anzubieten, die der Untergrund in Gang gesetzt hatte. Es fiel den Zynikern zunehmend schwerer, sich aus allem rauszuhalten. Sie wurden immer mehr isoliert, und ihre Zahl schrumpfte dahin.
Mit Geduld und Glück - und der Hilfe zahlreicher Freunde und Verbündeter - erfüllte Jordan nach und nach seine Versprechen. Aus dem Chaos entstand Ordnung.
Natürlich lief nicht alles glatt, und es gab eine Reihe von Rückschlägen und Enttäuschungen. Anfangs waren Gewalt und Überfälle an der Tagesordnung, und es kostete einige Mühe - und viele unangenehme Strafen -, die Autorität der örtlichen >Wachen< zu sichern. Es waren Männer und Frauen, die man aus der Bevölkerung rekrutiert hatte, doch weil so viele Menschen in der Vergangenheit unter den korrupten Posten gelitten hatten, dauerte es lange, bis deren Einsatz von der Mehrheit anerkannt wurde.
Davon abgesehen bereiteten die Gesundheit und die Unterbringung der Leute sowie die Versorgung mit Nahrungsmitteln die größten Sorgen. Materialmangel und die relative Unerfahrenheit der frisch rekrutierten Arbeitskräfte behinderte die Aufbau- und Reparaturarbeiten. Organisation war ein Alptraum, und es gab so manchen Streit um Nachschub und Vorrangigkeiten. Während der ersten Tage hatten es Hewe und Jordan auf sich genommen, persönlich als Schlichter aufzutreten, und sie brauchten all ihren gesun den Menschenverstand und Humor, um diplomatisch bleiben - und nicht verrückt zu werden! Im Lauf der Zeit jedoch, als jeder zunehmend die Rolle fand, die seinen Fähigkeiten am besten entsprach, konnten sie immer mehr ihren Kollegen überlassen.
Der durch die jüngsten Ereignisse verursachte Zusammenbruch des Handels hatte ebenfalls schlimme Auswirkungen auf die Versorgung mit Lebensmitteln. Weil das bescheidene Farmland in der direkten Umgebung der Stadt die große Zahl der Menschen nicht versorgen konnte, war die Stadt bei der Ernährung ihrer Bevölkerung auf Importe angewiesen. Die wenigen Farmer in der Region hatten sich aus offensichtlichen Gründen von der Stadt ferngehalten, was die Lage nur noch verschlimmerte. Doch mit der Rückkehr der Stabilität waren auch die lokalen Erzeugnisse wieder überall zu kaufen, und Jordan räumte nun der Wiedereröffnung der Küstenstraße Vorrang ein. Dadurch konnten Güter aus den entlegeneren Gegenden im Osten und Westen herangeschafft werden. Es bedeutete aber auch, dass der Untergrund Nachrichten aus den anderen großen Häfen der Provinz, aus Altonbridge und Clevemouth, sammeln konnte. Anfangs kamen diese Nachrichten unregelmäßig. Mit der Zeit jedoch sickerte durch, dass der unheilvolle Einfluss
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