Die träumende Welt 03 - Das Zeitalter des Chaos
Schutt und Asche gelegt worden. Viele andere Häuser waren verwahrlost - oder bestanden nur noch aus rauchenden Trümmern. Und doch, für den, der Augen hatte, um zu sehen, hielt Great Newport noch viele Wunder bereit. Uralte Gebäude aus Stein standen noch und schienen dem Chaos ringsum hohnzusprechen, breite Hauptverkehrsadern erlaubten weitschweifende Blicke über die Stadt. Andere Viertel dagegen bestanden aus einem dichten Wirrwarr von kleinen Straßen und winzigen Gassen.
Auf den Hauptstraßen hatte man früher alle möglichen Dinge kaufen können - wenn man das nötige Geld besaß. Doch das besaßen nur die Reichen und Mächtigen. In Anbetracht der menschlichen Natur würde es das alles bald schon wieder geben. Blieb zu entscheiden, ob Newport eine neue Form der Regierung erhalten würde oder wieder zur skrupellosen Ordnung der Gesetzlosen zurückkehren wollte. Die Stärksten unter ihnen wussten, wie man überlebte, während die Mehrheit schweigend kuschte und darauf wartete, dass man ihnen sagte, was sie tun sollten.
In diese Situation hinein fiel die Kunde, der Untergrund sei bereit, sich der Herausforderung zu stellen. Gerüchte verbreiteten sich wie Lauffeuer, ängstliches Getuschel und tadelnder Spott mischte Tatsachen mit Unwahrheiten. Doch aus all dem Gerede ragte ein Name heraus, ein Name, den fast jeder kannte, auch wenn nur wenige ernsthaft behaup ten konnten, ihm von Angesicht zu Angesicht begegnet zu sein.
Das sollte sich an diesem Nachmittag auf dem Platz des Kolosseums ändern.
Jordan wollte eine Rede halten.
Gemma hatte mehrere Stunden damit verbracht, sich mit den Leuten aus dem Lichtlosen Königreich zu unterhalten. Die gegenseitige Faszination füreinander entstand aus dem Teilwissen, das sie voneinander hatten, und wurde von Ardens Begeisterung noch zusätzlich entfacht.
Sie hatten ihr von ihrem unterirdischen Reich erzählt und von dem Gift, das es zu zerstören drohte. Gemma und C'tis hatten sich über ihre Fähigkeiten und Methoden als Heilerinnen ausgetauscht. Die Meyrkats und Gemmas Verbindung zu ihnen hatte zu einer umfassenden Beschreibung ihrer Rolle innerhalb des magischen Komplotts geführt. Zukunftspläne waren, was ganz natürlich war, Gegenstand zahlreicher Spekulationen geworden. Mehr als alles andere jedoch diente das Treffen einer Erkundungsreise in die Welt des jeweils anderen und endete mit Beteuerungen gegenseitiger Rücksichtnahme.
»Du bist in jeder Hinsicht so außergewöhnlich, wie Arden behauptet hat«, meinte T'via. »Die Propheten senden dir ihren Dank und hoffen, dass ein Leben lang unsere Freundin sein wirst.«
»Arden ist ein wenig voreingenommen«, erwiderte Gemma, »doch was mich anbetrifft, gebe ich die Wünsche der Propheten zurück. Wenn ich tatsächlich etwas Besonderes bin, dann nur wegen Leuten, wie ihr es seid. Ich wusste gar nicht, dass es so viele Wunder auf der Welt gibt.«
Sie ließ den Blick über ihre neuen Freunde schweifen, sah ihre fahle, fast gespenstisch wirkende Haut, ihre riesenhaften Augen und das bleiche Haar. Wie fremd muss ich ihnen Vorkommen, dachte sie und hob die Hand, um ihre kurzen, roten Locken zu berühren.
Alle-Großen-die-sich-häuten sind seltsam, meinte Ed dazu. Er hatte den Begriff der Meyrkats für Menschen benutzt.
Gemma hatte die Meyrkats fast vergessen. Sie waren längst wieder aus den Löchern hervorgekommen, hatten die Gegend für schlangenfrei erklärt und ihre Mahlzeit aus Kurven-Essen beendet. Jetzt hockte der Clan eng zusammengekauert in einer Ecke, und die meisten von ihnen schliefen friedlich. Nur Ed und Av blieben auf Wache.
Da hast du nicht ganz unrecht, gab Gemma zurück. Selbst wir denken das!
Deswegen habt ihr auch so lange Namen, sagte Av. Die Meyrkats gaben Dingen, die sie nicht verstanden, immer lange Namen. Gemma und Arden deutete auf eine fehlende Selbsterkenntnis hin, die den kleinen Geschöpfen unbegreiflich war.
»Weswegen grinst du so?« fragte Arden.
»Die Meyrkats erklären mir gerade, wie seltsam die Menschen sind«, antwortete Gemma.
»Das ist ihr gutes Recht«, meinte J'vina. »Ich habe noch keine Gruppe von Menschen gesehen, die so gut zusammenarbeitet wie sie.«
»Wir könnten eine Menge von ihnen lernen«, gab V'dal ihr recht.
»Das habe ich bereits«, fügte Gemma hinzu.
»Wir sollten jetzt besser gehen«, sagte Arden. »Jordan hält bald seine Rede und wird alle Freunde brauchen, die er kriegen kann.«
Gemma und Arden brachen auf und versprachen, so schnell wie möglich
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