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Die Trantüten von Panem

Die Trantüten von Panem

Titel: Die Trantüten von Panem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: The Harvard Lampoon
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jetzt wird alles gut«, erklärt meine Vaterfigur nach einer Weile. »Lass uns erst einmal das Messer aus deinem Kopf ziehen.«
    Nachdem er das Messer entfernt hat, gehen wir zusammen zum See zum Angeln, wo wir ein nettes, ausgedehntes Vater-Tochter-Gespräch führen. »Ich will alles wissen, Kantkiss«, versichert er mir. »Bring mich auf den neuesten Stand.«
    Ich erzähle ihm meine Lebensgeschichte. »Bist du dir sicher, dass du nicht im falschen Film bist? Ich denke da an Battle Royale «, unterbricht er mich.
    »Nein, der hat durch die Darstellung der Lebensangst des modernen Teenagers einen ganz anderen Dreh«, erkläre ich.
    »Ach, dann ist das Ganze so was wie Running Man ?«
    »Nee, der ist für Erwachsene.«
    »Dann wie Todesmarsch von Stephen King?«
    »Jetzt hör aber auf, das Buch kennt doch keine Sau mehr.«
    » Herr der Fliegen ?«
    Ich verdrehe die Augen. »Ja, nur mit Kameras.«
    »Ah, verstehe«, sagt meine Vaterfigur. Vaterfiguren verstehen einfach alles. »Es hört sich so an, als ob du wirklich ein sehr schweres Leben hinter dir hättest. Aber verrate mir doch, wie du es geschafft hast, niemanden bei den Hungerspielen umzubringen?«
    »Wie bitte?«
    »Als sie dich dazu gezwungen haben, bei den Hungerspielen mitzumachen … Wie hast du es bis jetzt geschafft, niemanden bei den Spielen umzubringen, obwohl das Kapital genau das von dir erwartet? Wie konntest du deinen moralischen Standpunkt in einer solch unmöglichen Situation halten?«
    Mir steckt ein Kloß im Hals. »Äh … Nun … Tja … Bisher hab ich die Leute einfach ausgeknipst, ohne großartig drüber nachzudenken.«
    Meine Vaterfigur lässt die Angel in den See fallen. »Wie bitte?«
    »Ist so«, sage ich. »Ich … Ich habe bisher einfach versucht, die Hungerspiele zu gewinnen.«
    »Hast du gar nicht über richtig und falsch nachgedacht?«, will meine Vaterfigur entsetzt wissen.
    »Ein bisschen schon, aber das war, bevor die Hungerspiele angefangen haben«, erwidere ich. »Sobald ich einen Fuß in die Arena gesetzt habe, war das auf einmal irgendwie weg, und ich habe keinen Gedanken mehr daran verschwendet.«
    »Du hast … Du hast also einen Menschen getötet?«, fragt meine Vaterfigur fassungslos.
    Nervös fummele ich an meinem Kragen. »Ja. Aber wenn man es genauer betrachtet, hat es viel mehr mit Notwehr …« Ich kann nicht weiterreden.
    »Kantkiss«, bringt meine Vaterfigur endlich nach langem Schweigen hervor. »Andere verwirrte Teenager zu ermorden, ist etwas sehr, sehr Schlimmes. Außerdem bist du auch noch live im Fernsehen zu sehen. Wenn du dich geweigert hättest, die anderen Tribute umzubringen, wärst du nicht nur eine gute Person geblieben, sondern hättest auch eine Botschaft ausgesandt, die eines der übelsten Regimes in der Geschichte der Menschheit hätte stürzen können.«
    »Aber wenn ich auch nur im Entferntesten aufmüpfig werde, wird das Kapital meiner Familie wehtun!«, gebe ich schlagfertig zurück.
    »Es ist völlig verständlich, dass du in einer solchen Situation als Erstes an deine Familie denkst«, fährt meine Vaterfigur fort. »Aber du musst dir die Dimension vergegenwärtigen, mit der wir es hier zu tun haben. Das Kapital versklavt Millionen von Menschen und nötigt sie, unter den schlimmsten Bedingungen zu leben. Das ist ein so widerwärtiges System, dass es Bienen genetisch manipuliert, die dann Kinder angreifen, welche sich wiederum alljährlich auf Leben und Tod bekämpfen müssen – und das alles nur zum Spaß. Wenn du eine Chance hast, dieses Regime zu stürzen, musst du sie ergreifen und alles andere hintanstellen. Ich liebe dich, aber es ist eindeutig, dass diese Aufgabe alle persönlichen Bedenken in den Schatten stellt. Das kann jeder sehen, der auch nur den geringsten Funken Gemeinschaftsgefühl besitzt. Und selbst wenn du keine Lust auf ein dramatisches rebellisches Statement hast, ist es ganz leicht, niemanden zu töten. Lass es einfach. Du sollst nicht töten , Kantkiss.«
    Die Worte meiner Vaterfigur klingen sehr sinnvoll. Vielleicht sollte mir die Rebellion gegen ein repressives Regime wichtiger sein als mein eigenes Teenager-Liebesdreieck mit Pita und Carola. Vielleicht sollte ich es mir gut überlegen, ehe ich einen Mitstreiter töte, selbst wenn dieses wahnsinnig böse Regime mich dazu drängt, es zu tun.
    Ich bin meiner Vaterfigur unendlich dankbar. Der Typ ist so weise. Wenn ich doch nur mehr Zeit mit ihm hätte, würde ich zu einer vernünftigen, emotional ausgeglichenen jungen

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