Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
Willensanstrengung zwang er sich dazu.
„Lass mich in Ruhe.“
„Wir müssen reden.“
„Nein!“ Verzweiflung schwang in ihrer Stimme, und sie bemerkte, wie er zurückzuckte. „Bitte, geh jetzt. Es ist spät, und ich bin so müde, dass ich nicht mehr klar denken kann.“
„Dann werden wir später darüber reden.“
„Einverstanden.“ Sie hätte ihm alles versprochen, nur damit er sie in Ruhe ließ. „Aber bitte lass mich jetzt allein, David.“ Als er sie nicht losließ, bat sie ihn mit bebender Stimme: „Gib mir Zeit. Ich kann mit diesem Problem jetzt nicht umgehen.“
Ihren Zorn hätte er ausgehalten, nicht aber ihre weiche Verletzlichkeit. „In Ordnung“, gab er nach.
David wartete, bis sie im Hauseingang verschwunden war. Dann lehnte er sich an den Wagen und griff nach einer Zigarette. Sie würden darüber reden, später, wiederholte er in Gedanken. Natürlich würde er diesen Abend nicht auf sich beruhen lassen. Tief durchatmend versuchte er, sich zu beruhigen. Vielleicht war es wirklich besser, zu warten, bis sie beide wieder entspannter und vernünftiger waren.
Mit einem letzten Blick auf das Haus trat er die Zigarette aus und stieg wieder in die Limousine. Und er hoffte inständig, schlafen zu können, ohne die ganze Nacht an A. J. zu denken.
6. KAPITEL
S ie wollte nicht still sitzen. Nur schwer konnte sie dem Bedürfnis widerstehen, im Zimmer auf und ab zu tigern. Ruhelos spielte sie mit ihrem Haar, zwang sich, im Sessel zu verharren, und beobachtete Clarissa, die Tee einschenkte.
„Ich freue mich so, dass du gekommen bist, Schatz. Wir haben so selten die Gelegenheit, uns mal einen Nachmittag zu sehen.“
„Im Büro läuft alles gut, Abe hat die Arbeit im Griff und kann heute auf mich verzichten“, erklärte A. J.
„Ein netter Mann. Wie geht es seinem kleinen Enkelsohn?“
„Er verwöhnt ihn nach Strich und Faden. Der Kleine ist Baseballfan, und am liebsten würde Abe ihm gleich das ganze Stadion der L. A. Dodgers kaufen.“
„Großeltern dürfen ihre Enkel verwöhnen, Eltern müssen sie erziehen“, erwiderte Clarissa voller Herzenswärme. Dabei hielt sie den Blick gesenkt, damit A. J. nicht die Sehnsucht in ihren Augen sehen konnte. Zu gern hätte sie selbst Enkelkinder gehabt, doch sie wollte ihre Tochter nicht unter Druck setzen. „Wie findest du den Tee?“, lenkte sie ab.
„Er schmeckt … ungewöhnlich“, antwortete A. J., in der Hoffnung, Clarissa werde sich mit dieser Bemerkung zufriedengeben und sie vor einer echten Lüge bewahren. „Eine neue Sorte?“
„Hagebutte. Ich finde ihn nachmittags ungemein aufmunternd. Und du machst den Eindruck, als könntest du ein wenig Aufmunterung gebrauchen, Aurora.“
A. J. stellte ihre Tas se ab und stand auf. Sie konnte ihrenBewegungsdrang nicht länger bezwingen. Von vornherein hatte sie gewusst, dass sie zu Clarissa fahren würde, sobald es im Büro weniger hektisch war. Und es war ihr klar, dass sie ihre Mutter um Rat fragen würde, auch wenn sie sich selbst immer wieder gesagt hatte, dass sie keine Hilfe brauch te.
„Momma.“ Unruhig setzte A. J. sich wieder, während Clarissa an ihrem Tee nippte und geduldig wartete. „Ich glaube, ich habe ein Problem.“
„Du bist viel zu streng mit dir selbst.“ Clarissa nahm ihre Hand und tätschelte sie liebevoll. „Das warst du schon immer.“
„Was bringt mir die Zukunft?“
Voller Erstaunen lehnte Clarissa sich zurück und betrachtete ihre Tochter. Niemals zuvor hatte A. J. sie darum gebeten, ihr die Zukunft vorauszusagen. Und jetzt wollte sie unbedingt richtig auf diese Bitte reagieren. „Du hast Angst“, stellte sie fest.
„Entsetzliche Angst.“ Wieder stand A. J. auf und wanderte herum. „Ich habe das Gefühl, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren.“
„Aurora, es ist nicht notwendig, immer alles im Griff zu haben.“
„Für mich schon.“ Mit einem schiefen Lächeln sah sie ihre Mutter an. „Das solltest du wissen.“
„Ja, natürlich. Selbstverständlich weiß ich es.“ Wie oft schon hatte sie ihrer Tochter inneren Frieden gewünscht! „Du versuchst ständig, dich zu schützen, um nicht verletzt zu werden. Nur weil dir einmal in deinem Leben wehgetan worden ist. Damals hast du beschlossen, dass so etwas nie wieder geschehen wird, nicht wahr?“ Ernst sah sie A. J. an. „Hast du dich in David verliebt?“
Natürlich wusste Clarissa es bereits längst, und A. J. konnte damit umgehen. „Ich versuche, dagegen anzukämpfen.“
„Wäre es so
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