Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
schlimm, jemanden zu lieben?“
„David ist nicht irgendjemand. Und genau das ist das Problem. Er ist zu stark, zu überwältigend. Außerdem …“ Sie musste kurz innehalten, um die Fassung wiederzuerlangen. „Ich habe schon einmal gedacht, jemanden zu lieben.“
„Damals warst du noch so jung, du hast Verliebtheit mit Liebe verwechselt. Doch das ist etwas ganz anderes. Wer verliebt ist, erwartet viel und gibt wenig zurück.“
Clarissa stand auf und nahm ihre Tochter liebevoll in den Arm. Schon als A. J. noch ein Kind war, hatte sie diese Nähe immer tröstlich und beruhigend empfunden, und daran hatte sich nichts geändert.
Dennoch löste sie sich nach einem kurzen Moment rastlos aus den Armen ihrer Mutter. „Wie kann ich sicher sein, dass es dieses Mal nicht auch blinde Verliebtheit ist? Oder einfach nur Lust?“
Nachdenklich setzte Clarissa sich wieder, nippte an ihrem Tee und sah ihre Tochter stirnrunzelnd an. „Diese Frage kannst du dir nur selbst beantworten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du all deine Termine abgesagt hast und mitten in der Woche hierhergekommen bist, weil du dir Sorgen machst, nur weil du für einen Mann Lust empfindest.“
Mit einem befreiten Lachen setzte A. J. sich wieder neben sie. „Oh, Momma, du bist unvergleichlich!“
„Nichts war jemals einfach und normal für dich, nicht wahr?“
„Das stimmt.“ Liebevoll lehnte sie ih ren Kopf an ClarissasSchulter. „Ich hatte immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein.“
„Weißt, du, Aurora, dein Vater hat mich sehr geliebt. Und deshalb hat er mich einfach so akzeptiert, wie ich bin, auch wenn er mich längst nicht immer verstanden hat. Ich kann mir nicht vorstellen, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich seine Gefühle nicht von ganzem Herzen erwidert hätte. Irgendwann muss man es wagen, die Kontrolle über sein Leben aufzugeben und jemandem ganz zu vertrauen.“
„Dad war ein ganz besonderer Mann“, erwiderte A. J. leise. „Nur wenige Männer sind wie er.“
Clarissa zögerte kurz, dann räusperte sie sich. „Auch Alex nimmt mich so, wie ich bin.“
„Alex?“ Irritiert setzte A. J. sich aufrecht. Die leichte Röte, die Clarissas Wangen überzogen hatte, ließ keinen Zweifel daran, was ihre Mutter sagen wollte. „Du und Alex, seid ihr …“ Wie stellte man der eigenen Mutter eine solche Frage? „Bist du dir sicher?“
„Vor einigen Tagen hat er mich gebeten, ihn zu heiraten.“
„Was?“ Ungläubig zuckte A. J. zusammen und starrte ihre Mutter an. „Heiraten? Ihr kennt euch doch kaum! Vor einigen Wochen seid ihr euch zum ersten Mal begegnet. Momma, du bist alt genug, um zu wissen, dass man über eine so wichtige Entscheidung länger nachdenken sollte.“
Unbeeindruckt strahlte Clarissa sie an. „Du wirst eines Tages eine wunderbare Mutter sein. Ich habe es nie geschafft, dir solche Standpauken zu halten.“
„Ich will mich nicht in dein Leben einmischen“, warf A. J. ein und griff verlegen nach ihrer Tasse. „Aber du solltestdich nicht auf etwas so Wichtiges einlassen, ohne dir wirklich sicher zu sein.“
„Genau das meine ich! Diese Charaktereigenschaft musst du von deinem Vater geerbt haben. In meiner Familie waren alle Frauen ein wenig flatterhaft.“
„Momma …“
„Erinnerst du dich noch an die Szene, in der Alex und ich über das Handlinienlesen sprachen?“
„Natürlich.“ A. J.s innere Unruhe wuchs, gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie sich in das Unvermeidliche fügen musste. „Irgendetwas hast du damals gesehen.“
„Es lag ganz klar und stark vor mir. Zugegeben, es hat mich ein bisschen irritiert, dass sich nach all den Jahren wieder ein Mann für mich interessierte. Und bis zu diesem Moment war mir nicht bewusst, dass ich trotz meines Alters noch einmal bereit bin für große Gefühle.“
„Nimm dir Zeit. Ich zweifle nicht an deinen Gefühlen, das weißt du. Aber …“
„Schatz, ich bin sechsundfünfzig.“ Clarissa schüttelte den Kopf, als wundere sie sich selbst über ihre Worte und frage sich, wo die Zeit geblieben sei. „All die Jahre habe ich allein gelebt und geglaubt, mich damit abfinden zu müssen. Aber jetzt habe ich die Gelegenheit, noch einmal ganz neu anzufangen und den Rest meines Lebens mit einem geliebten Menschen zu teilen.“ Beschwörend sah sie ihre Tochter an. „Du bist achtundzwanzig, und noch bist du zufrieden damit, allein zu sein. Aber du solltest keine Angst davor haben, jemanden in dein Leben zu lassen.“
„Das ist etwas
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