Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt
und tat deshalb etwas völlig Unvorhergesehenes. Er verordnete sich eine zweijährige Auszeit und gründete ein eigenes Unternehmen, das online Programme für die medizinische Ausbildung anbietet.
Wird Lewis heute gefragt, weshalb er Unternehmer mit einer eigenen Firma geworden ist, gerät er ins Schwärmen: »Gerade in der Medizin gibt es sehr viele junge Leute mit tollen Ideen. Lei | 131 | der wissen sie so gut wie nie, wie sie sie in die Tat umsetzen können.« Er hatte die Vision, Arzt zu werden und auch eine eigene Firma zu gründen, wollte aber dort nicht täglich nach dem Rechten sehen müssen. Immer wenn ihm ein neues Produkt für die Ausbildung von künftigen Ärzten einfiel, schlug er es seinem Team vor, das sich dann um die Realisierung kümmerte.
»Nehmen wir einmal an, ich hätte eine Idee für ein Spiel, mit dessen Hilfe angehende Mediziner ein neues Konzept erlernen könnten«, antwortete er auf meine Bitte um ein konkretes Beispiel. »Damit gehe ich zu meinem Team und übergebe ihm die Aufgabe.« Lewis empfindet ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit, etwas zu schaffen, was wirklich funktioniert.
Doch Lewis erging es nicht anders als Lulu. In dem Moment, in dem er genug Karrierekapital zur Verfügung hatte, um seine eigene Firma auf die Beine zu stellen, war er für seinen Arbeitgeber so wertvoll geworden, dass er ihn nur ungern ziehen lassen wollte. Er war der erste Assistenzarzt, der mitten in seiner Ausbildung eine längere Pause einlegen wollte. »Mein Arbeitgeber wollte von mir wissen, weshalb ich das unbedingt tun wolle«, erinnerte sich Lewis. Der Übergang war kein Kinderspiel. Als ich Lewis kennen lernte, war seine Auszeit so gut wie vorüber. Doch er hatte die knapp zwei Jahre bestens genutzt: Aus dem Traum von einer eigenen Firma war ein kapitalkräftiges Unternehmen mit einem beliebten Vorzeigeprodukt geworden (mit dessen Hilfe sich Medizinstudenten auf ihre Prüfung vorbereiten können). Lewis konnte getrost seine Ausbildung zum Facharzt beenden, denn sein Team hielt die Dinge am Laufen. Lewis ist mehr als zufrieden damit, dass er den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt hat – auch wenn es alles andere als einfach war.
Und das ist die Ironie an der Geschichte über Selbstbestimmung. Wenn sich niemand dafür interessiert, was Sie in Ihrem Arbeitsleben anstellen, ist das ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es Ihnen an Karrierekapital mangelt. Doch sobald Sie über eine ausreichende Menge davon verfügen, sind Sie für Ihren Arbeitgeber so wertvoll, dass er Ihren Weggang auf alle Fälle verhindern möchte. An dieser Stelle kommen wir zur zweiten Falle auf dem | 132 | Weg zur Selbstbestimmung.
Die zweite Falle auf dem Weg in die Selbstbestimmung
Der Punkt, an dem Sie genug Karrierekapital aufgebaut haben, um Ihr Arbeitsleben selbst in die Hand nehmen zu können, ist zugleich der Punkt, an dem Sie für Ihren Arbeitgeber zu einem so wertvollen Mitarbeiter geworden sind, dass er Sie auf jeden Fall daran hindern will, sich beruflich zu verändern.
Die Handlungsweise Ihres Arbeitgebers ist im Grunde genommen verständlich. Wer profitiert denn, wenn Sie Ihren Arbeitstag weitestgehend eigenmächtig gestalten? Sie mit Sicherheit, aber trifft das auch auf Ihren Arbeitgeber zu? Die 30-Stunden-Woche bedeutete für Lulu ein großes Stück Freiheit, und sie fühlte sich nicht mehr so eingeengt in ihrem Job. Für ihren Chef ging dieser Schritt jedoch zulasten der Produktivität ihrer Abteilung. Anders ausgedrückt, Sie sollten mit Widerstand rechnen, wenn Sie mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz fordern. Schließlich sprechen so manche Argumente dafür, dass Sie Ihr Karrierekapital bei Ihrem jetzigen Arbeitgeber belassen, wenn man Ihnen eine Gehaltserhöhung verspricht, einen größeren Firmenwagen und mehr Prestige – es fällt schwer, sich diesen Argumenten zu verschließen und seinen eigenen Weg zu gehen.
Noch etwas zum Stichwort Mut
Unter »Regel 2« habe ich ein wenig über die Leute hergezogen, die allen Ernstes glauben, das Einzige, was ihnen zu ihrem Traumjob fehlt, sei eine gehörige Portion Mut, den es braucht, um aus ihrem Alltag auszubrechen. Ich habe ausgeführt, dass es diese Denkweise war, die Lisa Feuer bewog, ihren Job in der Werbebranche hinzuwerfen und stattdessen ein Yogastudio zu eröffnen. Das Ende ihrer Geschichte kennen Sie ja. Diese Einstellung dürfte der Grund sein, weshalb sich immer wieder Menschen in die Selbstständigkeit stürzen, ohne über ausreichend | 133 |
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