Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt

Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt

Titel: Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
Vom Netzwerk:
der es ja auch um die Wissenschaft ging, habe ich gelernt, dass diese Wissensplateaus sehr gefährlich sein können, da sie verhindern, dass frisches Karrierekapital sich zum bereits vorhandenen gesellt. Je länger meine Suche andauerte, umso klarer wurde mir, dass auch mein Arbeitsleben einige praktikable Strategien dringend nötig hatte, damit die leistungsorientierte Lerntechnik wieder zu meinem Arbeitsalltag gehörte, ohne dass ich weiter groß darüber nachdenken musste.
    Angeblich hat der Nobelpreisträger und Physiker Richard Feynman einen Intelligenzquotienten von nur 125, was kaum über dem Durchschnittswert liegt. Allerdings wurde dieser Test durchgeführt, als er noch in die Highschool ging. In seinen Me | 198 | moiren finden sich jedoch zahlreiche Hinweise, wie er sich von einem eher durchschnittlich intelligenten Schüler zum Genie wandelte. Er erzählt zum Beispiel, dass er stets das quälende Bedürfnis, fast schon den Zwang verspürt hat, wichtige Thesen und mathematische Konzepte bis ins kleinste Detail zu zerlegen, um sie dann wieder zusammenzusetzen, da er sie erst dann verstehen konnte. Ich halte es für denkbar, dass seine beeindruckende Intelligenz nicht von Gott gegeben war, sondern vielmehr auf die leistungsorientierte Lerntechnik zurückzuführen ist. Durch meine Recherchen und Beispiele wie das von Feynman ermutigt beschloss ich, den komplexesten Forschungsergebnissen meines Fachgebiets auf den Grund zu gehen, da ich dringend frisches Karrierekapital benötigte.
    Als ersten Schritt in diese Richtung suchte ich mir eine Abhandlung heraus, die immer wieder gern zitiert wurde und doch als umständlich und schwer verständlich galt, obwohl sie sich lediglich mit einem einzigen Ergebnis befasste: der Analyse eines Algorithmus, die die beste Lösung für ein bekanntes Problem darstellt. Wie gesagt, viele meiner Kollegen zitierten daraus, doch ich bezweifelte, dass sie den Lösungsansatz bis ins letzte Detail verstanden hatten. Für mich stand jedoch fest, dass ich mich da durchbeißen wollte, denn schließlich wollte ich zu meinem Wort stehen und die leistungsorientierte Lerntechnik zu einem selbstverständlichen Teil meines Arbeitslebens machen.
    Die erste Lektion, die ich daraus gelernt habe, ist: Sich Wissen auf diese Art und Weise anzueignen ist verdammt anstrengend. Als ich auf die erste knifflige Stelle, um nicht zu sagen Lücke in der Beweisführung stieß, spürte ich, wie sich tief in mir heftiger Widerstand regte. Es kam mir so vor, als ob mein Verstand gemerkt hätte, dass ich vorhatte, etwas über meine intellektuellen Fähigkeiten hinauszugehen, und daraufhin einen neuronalen Protest losließ, zunächst verschwommen wie aus weiter Ferne, doch dann immer heftiger, was meine Konzentrationsfähigkeit merklich nachlassen ließ.
    Da ich etwas gegen diese Art intellektueller Meuterei tun musste, entwickelte ich zwei Strategien: erstens eine zeitliche Be | 199 | grenzung. Ich sagte Dinge wie: »Ich werde jetzt eine Stunde daran arbeiten, ganz gleich, ob ich dabei in Ohnmacht falle oder einfach nicht weiterkomme, doch in der nächsten Stunde gibt es für mich nichts anderes als diese Abhandlung.« Keine Frage, ich bin nicht ein einziges Mal ohnmächtig geworden, und Fortschritte habe ich auch gemacht. Im Durchschnitt hat es zehn Minuten gedauert, bis sich mein innerer Widerstand auflöste. Diese zehn Minuten waren immer schwer auszuhalten, aber das Wissen, dass meine Plackerei nach einer Stunde vorüber wäre, gab mir die beruhigende Sicherheit, dass diese Schinderei auszuhalten war.
    Bei der zweiten Strategie ging es mir darum, meiner Arbeit eine gewisse Struktur zu verleihen. Alle Ergebnisse mussten sozusagen in Form gebracht werden. Als Erstes legte ich eine Beweismatrix an, in der ich die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Teilbeweise eintrug. Das war zwar nicht so einfach, wie das jetzt für Sie klingen mag, aber machbar. Außerdem war das für mich eine Art Aufwärmtraining, sodass ich dann gezielter und konzentrierter arbeiten und die Ergebnisse besser nachvollziehen konnte. Als Nächstes stellte ich mir selbst Fragen zu dem durchgearbeiteten Stoff, sodass ich gezwungen war, die wichtigsten in dieser Beweisführung verwendeten Definitionen auswendig aufsagen zu können. Auch das war keine enorme intellektuelle Herausforderung, aber ich lernte dadurch, mich besser zu konzentrieren, und auch mein Verständnis dieser hochkomplexen Materie wurde immer besser, was entscheidend

Weitere Kostenlose Bücher