Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt
Erkenntnissen, die ich als Regel 2 bis 4 eingeführt habe.
Wie ich Regel 2 anwendete
Regel 1 besagt ja, dass »Folge deiner Leidenschaft« ein schlechter Rat für die Karriereplanung ist. Sie war auch der Grund dafür, dass ich meine Suche begann, weil ich wissen wollte, was – wenn eben nicht Leidenschaft – denn dann wichtig ist, um in seinem Beruf glücklich zu werden. Regel 2 entstand, während ich die ersten Begegnungen mit erfolgreichen Leuten hatte. Was einen Traumjob zu dem macht, was er ist, ist selten und damit kostbar. Wenn auch Sie Ihr Glück in der Arbeit finden wollen, müssen Sie ergo über seltene und kostbare Fähigkeiten verfügen, die Sie im Gegenzug anbieten können. Anders ausgedrückt, | 196 | wenn Sie sich mächtig ins Zeug legen und so gut werden, dass man »Sie auf jeden Fall bemerkt«, wie es Steve Martin so schön auf den Punkt gebracht hat, dann wird Ihnen Ihre Arbeit großen Spaß machen, ein echter Traumjob eben. Und dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob Sie mit Ihrem Beruf Ihrer Berufung gefolgt sind oder nicht.
Als Nächstes habe ich den Begriff »Karrierekapital« für diese seltenen und damit kostbaren Fähigkeiten – landläufig auch als Kompetenz bekannt – eingeführt. Wie Sie sich denken können, ist es kein Kinderspiel, Meister seines Fachs zu werden, denn selten und kostbar bedeutet per se, dass man sich diese Kompetenz nicht einfach so aneignen kann. Diese Erkenntnis hat mich in die Welt der besten Forscher und Wissenschaftler geführt. Dort lernte ich das Konzept der leistungsorientierten Lerntechnik bzw. deliberate practice kennen, das besagt, dass man beim Erlernen bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten seine persönlichen Grenzen immer ein kleines bisschen überschreiten, also über die eigene Schmerzgrenze hinausgehen muss. Wie ich herausfand, ist Musikern, Sportlern und Schachspielern dieses Konzept durchaus bekannt, Wissensarbeitern dagegen nicht. Die meisten Vertreter dieser Berufsgruppe scheuen eine leistungsorientierte Lerntechnik wie die Pest, was sich auch darin äußert, dass sehr viele Büromenschen wie besessen davon sind, ihre E-Mails abzurufen – ist diese Angewohnheit wirklich etwas anderes als die Flucht vor anspruchsvolleren intellektuellen Aufgaben?
Während ich mich mit diesem Konzept befasste, machte ich mir zunehmend Sorgen über meine akademische Laufbahn. Ich fürchtete, dass es zu lang dauerte, bis ich ausreichend Karrierekapital angesammelt hätte. Dazu müssen Sie wissen, dass die jahrelange Ausbildung am College und an der Universität und dann noch die Zusatzqualifikation zum Doktor einem sehr viel abverlangt, was das Aneignen von Wissen angeht. Am Anfang dieser Ausbildung muss man seine persönlichen Grenzen eigentlich andauernd überschreiten. Ein mathematisches Problem – und damit kenne ich mich nun wirklich aus – auf diesem Ausbildungsniveau ist nichts anderes als eine Übung in der leistungsorientierten Lerntechnik. | 197 | Man steht also vor dieser Aufgabe, hat keine Ahnung, wie man sie lösen könnte, weiß aber ganz genau, dass man sie lösen muss , da man anderenfalls eine schlechte Note erhält oder einen Kurs nicht besteht. Allein aus diesem Grund vertieft man sich in die Materie und gibt sein Bestes, probiert dieses und jenes aus, und muss damit fertig werden, dass mancher Lösungsansatz in einer Sackgasse endet. Stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn jedes einzelne Neuron Ihres Gehirn vollends damit beschäftigt ist, ein mathematisches Problem zu lösen, Sie aber zugleich die Angst plagt, es nicht zu schaffen und null Punkte dafür zu kassieren. Und genau dieser Zustand ist ein Muss, um sich ständig zu verbessern. In meinen Augen ist das der Grund, weshalb frischgebackene Akademiker zumindest am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn die Erfahrung machen, dass ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mal beeindruckend sind und mal eindeutiges Verbesserungspotenzial aufweisen. 46
Doch bei einem Lehrplan wie in der Fakultät für Informatik am MIT, bei dem die Forschung im Mittelpunkt steht, lässt der Arbeitsaufwand für den Lehrkörper nach rund zwei Jahren nach. Dann allerdings wird erwartet, dass man sich von seinem Vorgesetzten abnabelt und in der Forschung eigene Wege beschreitet. Und das ist der kritische Punkt, denn wer hier nicht aufpasst und sich nicht ständig antreibt, dessen Leistungen werden, wie es der Psychologe Eric Andersson formuliert, auf »akzeptablem Niveau« liegen und dann dort verharren. Von Regel 2, in
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